Das Ausmaß seiner Handlungen zu begreifen, ist bei dem Fußballspieler offensichtlich zu viel verlangt.
Mit dieser These werden viele nicht einverstanden sein, aber Mesut Özil zu Ehren sei sie dennoch aufgestellt. In der Öffentlichkeit stehende Personen mit Vorbildwirkung sollten nicht jede weitreichende Entscheidung alleine treffen. Oder anders gesagt. Sie müssen manchmal vor sich selbst geschützt werden. Özil ist das beste Beispiel dafür. Hat er sich doch allen Ernstes erneut mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan fotografieren lassen und ihn sogar zu seiner Hochzeit eingeladen. Als hätte er aus der für sein Ansehen katastrophalen Begegnung mit Erdoğan vergangenes Jahr nichts gelernt.
Aber wie denn auch? Warum soll der Deutschtürke Özil, der seit vielen Jahren im Ausland und dort wiederum in einer eigenen Welt lebt, die Wucht des medialen Einschlags eines einzigen Fotos abschätzen können? Wie soll er verstehen, dass Integrationspolitik auf dem Rücken eines Fußballers betrieben wird, der sich doch nur mit dem Präsidenten des Landes ablichten ließ, aus dem seine Eltern stammen? Selbst dann, wenn es dieser Präsident mit dem Rechtsstaat nicht so genau nimmt.
Ganz offensichtlich kann man das alles von Özil nicht erwarten, obwohl er sicher ein intelligenter Bursche ist. Was man schon erwarten kann, ist ein bisschen Weitsicht und Uneitelkeit, um sich mit seinen Millionen ein Beraterteam zur Seite zu holen. Fachleute, die etwas von der Dynamik öffentlicher Debatten verstehen und ihn wohlwollend betreuen.
Selbstverständlich entbindet dieser Standpunkt Özil, der sich seit der Fußball-WM mehr wie ein bockiges Kind denn wie ein Mann mit politischer Haltung verhält, nicht von jeglicher Verantwortung. Und soll seine seltsame Nähe zu Erdoğan nicht verharmlosen. Er ist nur ein generelles Plädoyer dafür, seine Schwächen zu kennen, um sich auf seine Stärken zu konzentrieren. Und soll verdeutlichen, warum Redewendungen entstanden sind wie: "Schuster, bleib bei deinen Leisten."