Die Elektro-Tankstelle im Haus

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Bewohner einer Wohnhausanlage in Wien Liesing testen für sechs Wochen den Betrieb von E-Ladestationen für zwölf Elektroautos. Denn was passiert, wenn mehrere Nutzer ihre Autos gleichzeitig aufladen? Reicht die Kapazität des Hausanschlusses aus?

Seit Freitag vergangener Woche haben die Bewohner der Wohnhausanlage Dirmhirngasse 88 in Wien Liesing einen Fuß in der Mobilitätszukunft. Ihnen steht für sechs Wochen eine komplette E-Mobility-Infrastruktur, bestehend aus zwölf Elektroautos und ebenso vielen Ladepunkten in der hauseigenen Garage, kostenlos zur Verfügung. Sinn der Übung sei es, erläutert Paul Lampersberger von e7 Energie Markt Analyse, die mit der Projektleitung betraut wurde, „zu zeigen, dass die Nachrüstung und der Betrieb von E-Ladestationen auch in einer bestehenden Wohnhausanlage in größerem Umfang möglich ist.“

Versuchsanordnung


Das ist nämlich keine ausgemachte Sache: Was passiert, wenn mehrere Nutzer ihre Autos gleichzeitig aufladen? Reicht die Kapazität des Hausanschlusses aus oder muss man neue Leitungen verlegen? Braucht man vielleicht sogar einen zusätzlichen Transformator? Es sind Fragen wie diese, die bei den Wohnbauträgern für große Unsicherheit sorgen und sie letztlich davor zurückschrecken lassen, das Thema aktiv anzugehen.
Um zu möglichst belastbaren Ergebnissen zu kommen, wurden nicht nur die verschiedensten Messinstrumentarien installiert, sondern die Versuchsanordnung obendrein so konzipiert, dass rund 50 Prozent der Bewohner über ein eigenes E-Mobil mit entsprechendem Ladepunkt verfügen. „Damit simulieren wir erschwerte Bedingungen, denn mittelfristig sind rund 20 bis 30 Prozent realistisch.“Antworten darauf erwartet sich aber auch die Energiebranche: „Zum einen, um Aufschluss über die Herausforderungen beim Aufbau von Ladeanlagen in Bestandsgebäuden zu bekommen, zum anderen, um Argumente an der Hand zu haben, potenzielle Nutzer davon überzeugen zu können“, betont Lampersberger. Nicht zufällig ist daher – neben der Stadt Wien und mehreren Car-Sharing Anbietern, die ihre Elektrofahrzeuge zur Verfügung stellen – auch Wien Energie bei dem Projekt mit an Bord. Der Energieanbieter zeichnet gemeinsam mit Wiener Netze für die Installation und den Betrieb der Ladeinfrastruktur verantwortlich. Gefördert wird das Pilotprojekt vom Klima- und Energiefonds.

Rechtliche Probleme


Doch es sind nicht allein technische Fragen, die einer Klärung bedürfen, sondern vor allem rechtliche. Darauf weist unter anderem Roland Ziegler hin. „Was für private Hausbesitzer relativ einfach machbar ist, kann für jene, die in einem Mehrparteienhaus oder einer Wohneigentümergemeinschaft leben, fast unmöglich sein“, sagt der Sprecher des Bundesverbandes Elektromobilität Österreich (BEÖ). „Denn ohne Zustimmung aller Eigentümer geht meist gar nichts. Sie müssen ihre Zustimmung geben – und in der Regel auch die mobilitätstechnische Aufrüstung der Immobilie zahlen.“ Allerdings plant die Regierung hierzu bereits Änderungen im Wohnrecht, Gespräche im Verkehrs- und Justizministerium sollen bis Ende 2019 zu einem entsprechenden Beschluss führen.

Politik gefordert


Einfacher ist die Situation bei Neubauten. Hier schreiben die meisten Bauordnungen der Bundesländer mittlerweile zumindest entsprechende Kabelschächte vor, um bei Bedarf problemlos eine Ladeinfrastruktur errichten zu können. „Allerdings fehlen auch hier klare gesetzliche Rahmenbedingungen. Abgesehen von den neun Bauordnungen mit ihren unterschiedlichen Regelungen, gibt es bisher selten Vorgaben, welcher prozentuelle Anteil der Stellplätze künftig mit Ladepunkten ausgerüstet sein sollte“, sagt Stefan Melzer vom Mobilitätsdienstleister MO.Point. Aufgrund dieser Planungsunsicherheiten sowie des schwer einzuschätzenden Bedarfs, zögerten viele Bauträger bei neuen Projekten, eine Ladeinfrastruktur von vornherein vorzusehen. Ähnlich sieht es Harald Frey, Forscher an der TU-Wien und Leiter des Arbeitskreises E-Mobility der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft: „Wenn wir uns schon einer Veränderung in der Antriebstechnologie verschrieben haben, dann müssen wir auch klar sagen, was es dabei zu berücksichtigen gilt. Dazu gehört unter anderem, dass künftig ein bestimmter prozentueller Anteil von Stellplätzen mit Ladepunkten auszurüsten ist.“ Frey denkt dabei weniger an öffentliche Parkplätze, als vielmehr an bestehende Strukturen wie Garagen. „Dort lässt sich das am schnellsten und leichtesten umsetzen.“ Noch liege man aufgrund der geringen Anzahl an Elektroautos in Österreich gut in der Zeit, doch das werde sich bald ändern: „Das Beispiel China zeigt, wie schnell sich die Elektromobilität durchsetzt.“ Milliardenförderungen wie in Deutschland würden ihr auch in Europa bald zum Durchbruch verhelfen. „Umso wichtiger ist es, sich schon jetzt mit den entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu befassen, die auch den Wohnbau mit einschließen“, mahnt der Experte an.

Auf einen Blick

Voraussetzung für Errichtung einer Ladeinfrastruktur in den Garagen von Bestandsgebäuden ist eine entsprechende Leistungskapazität des elektrischen Hausanschlusses. Bei Eigentümergemeinschaften kommt erschwerend hinzu, dass für die Installation einer Ladestation die Zustimmung aller anderen Miteigentümer notwendig ist. Bei Mietwohnungen ist die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters erforderlich.

> > > Mehr Infos zum Projekt unter: www.e-sieben.at

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