Wie soll die Pflege finanziert, wie könnten pflegende Angehörige unterstützt werden? Über die Eckpunkte sind sich alle Parteien einig. Die Geister scheiden sich an den Details.
Wien. Oft hilft es in der Politik schon, wenn man weiß, was man nicht will. Und in einem Punkt der anstehenden Pflegereform, über die am Donnerstag auf Einladung der Sozialministerin diskutiert wurde, sind sich alle Parlamentsparteien einig: Wo auch immer das Geld für die Pflege in Zukunft herkommt – eine private Versicherung soll es jedenfalls nicht werden.
Finanzierung
Wenn schon Versicherung, dann „sicher nicht privat“, sagte Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) in ihrem Eingangsstatement beim Forum „Pflege.fit für die Zukunft“ am Wiener Rennweg. Das „bundesdeutsche Vorbild“, eine Versicherungspflicht, sei hier abschreckend genug gewesen, fügte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz wenig später hinzu. Außerdem habe der Staat eine „Fürsorgeverpflichtung“. Sogar die Wirtschaftskammer lehnt eine private Lösung „entschieden“ ab, wie Sozialpolitikexperte Martin Gleitsmann klarstellte.
Darüber hinaus sind die Meinungen dann doch recht divers. Zur Auswahl stehen: eine Art Sozialversicherungsmodell für die Pflege, eine Pflegegenossenschaft und eine steuerfinanzierte Fondslösung. Vor allem die SPÖ möchte den Pflegefonds zu einem „Pflegegarantiefonds“ umbauen, der an bundesweite Qualitätsvorgaben gekoppelt ist. Das Geld würde dann „nur dorthin fließen, wo diese Qualität gesichert ist“, erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.
ÖVP-Klubchef August Wöginger plädierte einstweilen für Offenheit: Studien seien in Auftrag gegeben worden, man möge sich doch verschiedene Modelle ansehen, bevor eine Entscheidung getroffen werde. Nur eine private Versicherung – die schließt auch er aus.
Daheim vs. Heim
Der „Masterplan“ Pflege, den die Regierung im Dezember beschlossen hat, folgt dem Grundsatz: Wann immer es möglich ist, soll die Pflege in den eigenen vier Wänden stattfinden. 80 Prozent der 460.000 Pflegegeldbezieher werden derzeit zu Hause gepflegt – von insgesamt 960.000 Angehörigen, denen nun alle Parteien eine Unterstützung angedeihen lassen wollen.
An den Details aber scheiden sich die Geister. Neos und Jetzt sind der Meinung, dass auch die Pflegegeldstufen eins bis drei der Inflation angepasst werden müssten. Die Grünen lenken den Fokus auf die Frauen, die sich mehrheitlich um die Pflege daheim kümmern, während sich die SPÖ einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz vorstellen kann – auch für Männer.
Organisatorisch wünscht sich Pamela Rendi-Wagner Servicestellen, die Familien beraten, welche Pflegeform die beste für sie sein könnte. Zumal es ja nicht nur die Gegensätze „Daheim“ und „Heim“ gebe, sondern auch vieles dazwischen, etwa Tagesbetreuung, Alltagsbegleitung, Kurzzeitpflege, mobile Dienste. „So viel wie möglich ambulant, so viel wie nötig stationär“, lautet der Grundsatz von Katharina Wiesflecker, der grünen Soziallandesrätin in Vorarlberg. Und dem wollte eigentlich niemand auf dem Podium widersprechen.
Personal und Ausbildung
Konsens herrscht auch darüber, dass der Pflegeberuf aufgewertet werden soll, nein: muss. Anlass ist ein beunruhigender „Facharbeitermangel“ (Katharina Wiesflecker), vor allem in der Langzeitpflege. Silvia Rosoli von der Arbeiterkammer verlangt mehr Ausbildungsplätze, Jetzt-Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber eine bessere Entlohnung für Pflegekräfte und August Wöginger eine „Entbürokratisierung“. Es sei nämlich „ein Wahnsinn, was da alles dokumentiert werden muss“. Außerdem brauche es in der Ausbildung einen „Lückenschluss zwischen dem 15. und dem 17. Lebensjahr“.
Steuern im Gegenzug?
Für eine – zumindest teilweise – Gegenfinanzierung der Pflege brachten SPÖ, Grüne und Arbeiterkammer Vermögen- bzw. internationale Konzernsteuern ins Spiel, bekamen von ÖVP und FPÖ aber umgehend einen Korb. Die Bundesregierung habe sich dazu bekannt, dass Steuern und Abgaben nicht erhöht werden, so FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz.
Wie es nun weitergeht? Bis Jahresende soll „ein großes Reformpaket“ geschnürt werden. Rosenkranz und Wöginger versprachen eine „breite Einbindung“, wenn auch „keine Endlosdiskussionen“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2019)