Tobias Moretti: „Jede Art von Routine ist der Tod“

Tobias Moretti.
Tobias Moretti. (c) Daniel Novotny
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Schauspieler Tobias Moretti über die Sorge, den Sinn aus den Augen zu verlieren, Wahnsinn in der Wüste und warum er die beste Rolle noch nicht gespielt hat.

Rund um eine Vorstellung spielen sich viele Rituale ab, der Vorhang, der Applaus . . . Wie leben Sie mit Ritualen?

Tobias Moretti: Natürlich brauchen wir sie. Ein Ritual ist etwas immer Wiederkehrendes, das sich aber irgendwann vielleicht verselbstständigt hat. Aber Kunst ist eigentlich das Gegenteil, etwas sich immer wieder neu Erschaffendes. Trotzdem gibt es Rituale, die jeder macht und kennt. Der müde Blick beim Zähneputzen in die eigene Ratlosigkeit. Dann gibt es Gewohnheitsrituale, die, wenn man sie nicht macht, einen durcheinanderbringen, – der Fußballer, der sich bekreuzigt oder der Schauspieler, der sich an die Nase fasst, oder Valentino Rossi, der neben seinem Motorrad kurz meditiert, bevor er aufsteigt. Die religiösen Rituale wären ein Kapitel für sich. Aber eigentlich wollten wir doch über Mythologie reden und über Schein oder Sein.

Mittels Ritualen kann aber auch etwas Abstraktes erfahrbar werden.

Das mag ja sein, wenn man seinen Sinn nicht aus den Augen verliert, aber trotzdem ist ein Ritual noch keine Erkenntnis. Eine Niederung wäre, wenn das Ritual wichtiger ist als sein Ursprung.

Ist es nicht oft so?

Nein, so ist es nicht. Dann wäre es ein Packerl ohne Inhalt, unser Dasein. Wenn der Mensch oder eine Gesellschaft nicht mehr nach dem Sein trachtet, also dem ursprünglichen Sinn, wie es eben die Mythologie tut oder die Philosophie, dann haben wir irgendetwas verpasst. Natürlich haben wir es gegenwärtig mit einer Ausfransung von Mythologie zu tun oder ihrem Missbrauch durch Ideologisierung, oder sie wird zum reinen Zitat, so wie die neuen Medien oft etwas Triviales pseudomythologisch überhöhen. Der Mensch verirrt sich halt immer wieder in dem, was der Schein ihm bietet.

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