Warum es nicht unbedingt Exzellenz braucht, um zur Spitze zu zählen – und er von großen Fusionen nichts hält: der Top-Ökonom Gabriel Felbermayr im „Presse“-Gespräch.
Die Presse:In welchen Bereichen zählt Europa zur Spitze?
Gabriel Felbermayr: Europa hat in vielen klassischen Industriezweigen Spitzenunternehmen. Gerade in Österreich und Deutschland, aber auch in Norditalien, der Schweiz, Frankreich. Zum Beispiel in der Pharmabranche. Und es gibt viele, viele Hidden Champions in den Nischen. Europa ist auch führend bei der Digitalisierung und Automatisierung in Fabriken. Die Automatisierung kommt in den Unternehmen an, das macht uns stark und wettbewerbsfähig. Das beschränkt sich nicht auf einzelne Branchen. Wir können das im Autozulieferbereich, der Gesundheit, Textilbranche, Pharma, in der Bauindustrie beobachten; sogar in der Schuhindustrie, wo früher arbeitsintensiv in Bangladesch produziert wurde und die jetzt kapitalintensiv nach Europa zurückkommt. Das wird dann nicht von Arbeitern gemacht, sondern von Maschinen.
Europa hat die alte Industrie, die USA die neue – das stimmt also nicht mehr?
Es ist nicht sinnvoll, das zu trennen. Die Grenzen verschwimmen. Ist ein Auto ein Handy mit Rädern oder ein fahrbarer Verbrennungsmotor? Moderne Krankenhäuser – gehören die zur alten oder zur neuen Ökonomie? Europa ist viel besser, als man sich gemeinhin erzählt.
In Europa wird an European Champions gebastelt, also sehr großen Konzernen. Wie die Fusion von Siemens und Alstom. Die EU-Kommission hat sie abgelehnt – verstehen Sie die Bedenken?