Gastronom Wolfgang Gröller sperrt die Russenvilla in Traunkirchen für sein Wirtshausfestival Felix auf. Besuch in einem Sehnsuchtsort der Sommerfrische-Ära.
Umgeben von nichts als Panorama thront die Villa der georgischen Fürstentochter Sophie Pantchoulidzeff am Anstieg des Kalvarienbergs über den Häusern von Traunkirchen. Sie war 1852 der erste Bauauftrag Theophil von Hansens in Österreich, den er allein verantwortete.
Zum Wahrzeichen des Orts hat man sie erkoren, die „Russenvilla“, sie ist ein Sehnsuchtsort, ein Traumobjekt für nostalgische Sommerfrischler. (Mehr über die Villa im Magazin Luxury Estate, das am 6. April erscheint.) Doch eine illustre Gästeschar wie einst, als Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter oder Erzherzog Maximilian hier ein- und ausgingen, hat das Anwesen schon lang nicht mehr gesehen. An drei Wochenenden im April wird sich das nun ändern: Die Russenvilla öffnet ihre Pforten für gourmetaffine Gäste – im Rahmen des Wirtshausfestivals Felix.
„Die Villa stammt aus der ersten Hochblüte des Tourismus im Salzkammergut“, erzählt Wolfgang Gröller. Er ist der Besitzer des Gourmetrestaurants Bootshaus in Traunkirchen und Initiator des heuer zum zweiten Mal stattfindenden Festivals. Den Schlüssel für die Villa hat er von Jürgen Hesz bekommen. Ihm gehört das Anwesen seit 2011. Im vergangenen Jahr hat Hesz das Festival mit Möbeln aus seiner Antiquitätenhandlung ausgestattet, als Gröller im Bäckerwirt in Ebensee den Herd nach 40 Jahren erstmals wieder anwerfen ließ. Und er unterstützte Gröllers Idee, heuer in der Villa Pantchoulidzeff aufkochen zu lassen. „Viele Russen und Zaren sind einst hier gewesen“, so Gröller, „deswegen laden wir die besten georgischen und russischen Köche ein und machen eine Reise ins Zarenland.“
Beim Betreten der Villa stellt der Besucher erstaunt fest: Hier ist alles ein wenig anders als erwartet. So fehlt etwa eine monumentale Haupttreppe, wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war. Stattdessen gibt es seitlich eine Wendeltreppe. Eine für damals sehr moderne Raumaufteilung, schon inspiriert war von der englischen Cottage-Architektur.

Turmzimmer mit Aussicht
„Hier unten im Salon machen wir den Aperitif“, erklärt Gröller, stößt die einst grünen, heute weiß übermalten Fensterläden auf und lässt Licht, Luft und den atemberaubenden Ausblick herein. Und schon ist klar, warum Theophil Hansen die Sichtachse zwischen dem Eingang und dem am anderen Ende der Villa gelegenen Salon samt Veranda und Abgang in den Garten nicht mit einer Treppe verbauen wollte. Selbst die raffinierteste Konstruktion könnte mit dieser Landschaft nicht konkurrieren. Stattdessen baute Hansen mit jedem Stockwerk der noch perfekteren Aussicht entgegen. Bis zum Turmzimmer hinauf, das noch weitgehend original erhalten und mit einer einfachen, ausklappbaren Holzleiter zu erklimmen ist und „dem [...] Überblick über die romantische Gegend eine noch größere Ausdehnung“ gewährt, wie Hansen 1857 in der von seinem Schwiegervater herausgegebenen „Allgemeinen Bauzeitung“ schreibt.

Geht es nach Gröller, soll das Festivalambiente die Anmutung einer Sommerfrische anno dazumal bekommen. Viel zu tun gibt es bis dahin noch. Die Villa ist in einem desolaten Zustand, viele verschiedene Besitzer haben ihre nicht gerade stilgerechten Spuren hinterlassen. Eigentümer Hesz ist ein Hansen-Fan und -Sammler und will das Architekturjuwel originalgetreu renovieren. Ihm auf Basis der Originalpläne und alter Stiche zu neuem Glanz und einstiger Strahlkraft verhelfen, es gleichzeitig aber nach heutigen Standards bewohnbar machen und erweitern. Ein Spagat, der bisher am Widerstand der Gemeinde gegen seine ambitionierten (Aus-)Baupläne scheitert.
Im ersten Stock offenbart sich die wilde Mischung aus vielen Geschmäckern und Jahrzehnten des Wohn- und Selbstverständnisses wechselnder Besitzer: Man hat sich Mühe gegeben, etwa beim Einbau der völlig deplatzierten Einbauküche, zumindest den blauen Ton der hübschen originalen Holzvertäfelung mit den geschnitzten Früchten zu treffen. Gekocht wird hier aber bald trotzdem. Und zwar „von der, laut Gault Millau, besten Köchin Georgiens, Takuna Gachechiladze, und von den Zwillingen Iwan und Sergej Beresutskiy aus dem Twins Garden in Moskau“, freut sich Festivalinitiator Gröller.
ZUM ORT, ZUR PERSON
Traunkirchen ist eine mit rund 2000 Einwohnern kleine Tourismusgemeinde am Traunsee im Salzkammergut. Häuser kosten im Bezirk Gmunden/OÖ zwischen 638 und 2747 Euro/m2, Grundstücke zwischen 68 und 275,6 Euro/m2. Wolfgang Gröller betreibt die Traunseehotels und organisiert das Wirtshausfestival Felix 2019 mit.
Tipp: Bis 14. April stehen zahlreiche Kulinarik-Events auf dem Programm.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2019)