Im September letzten Jahres starb ein 17 Monate alter Bub nach einem Hundebiss. Die Hundehalterin wurde wegen grob fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten Haft verurteilt.
Nach dem tödlichen Hundebiss in Wien-Donaustadt, der am 10. September 2018 einen 17 Monate alten Buben das Leben gekostet hat, wurde die Besitzerin des Rottweilers am Montag schuldig gesprochen. Die Frau, dessen Kampfhund den Buben angefallen hatte, wurde zu 18 Monaten teilbedingter Haft wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt.
Mit sechs Monaten wurde ein Drittel der Strafe unbedingt ausgesprochen, zwölf Monate wurden der bisher unbescholtenen 49-Jährigen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nachgesehen. Die Eltern und die Großeltern des getöteten Buben bekamen ein Trauerschmerzengeld von insgesamt 65.000 Euro zugesprochen, wobei die Begräbniskosten inkludiert waren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Das Unglück hatte sich gegen 20.15 Uhr in der Ziegelhofstraße zugetragen. Die Großeltern des Kleinkinds dürften dieses an den Armen spielerisch in die Höhe geschaukelt haben und damit den Rottweiler irritiert haben. Der angeleinte Hund riss sich plötzlich am Gehsteig los und fasste nach dem Kopf des entgegenkommenden Buben. Das Kind verstarb später im Krankenhaus an den lebensgefährlichen Verletzungen. Die Besitzerin des 47 Kilogramm schweren Tieres war alkoholisiert - sie hatte 1,4 Promille intus - und möglicherweise deshalb außerstande, den Rottweiler zu bändigen.
Hund schon zuvor bissig
Der Hund hatte auch in der Vergangenheit bereits einen Menschen angefallen und diesem in den Hals gebissen. Aufgrund dessen wäre die Angeklagte - ihren Angaben nach seit 28 Jahren Hundebesitzerin, den zum Tatzeitpunkt dreijährigen Rüden hatte sie im Alter von neun Wochen von einem oberösterreichischen Züchter übernommen - gemäß den Bestimmungen des Wiener Tierhaltegesetzes verpflichtet gewesen, diesen ausschließlich mit einem Beißkorb ins Freie zu lassen.
Darüber hinaus leistete sich die 49-Jährige zwei weitere Sorgfaltsverstöße. Sie war mit 1,4 Promille schwer alkoholisiert und hielt den Rottweiler nicht an der kurzen Leine, als sie auf den Buben und dessen Großeltern trafen.
Die Angeklagte gab zu, "nicht vorausblickend gegangen" zu sein und mehr auf einen Arbeitskollegen, den sie zu einer Bus-Station begleitete, als auf ihren Hund geachtet zu haben: "Mein Blick war auf meinen Bekannten gerichtet." Mit diesem hatte sie den Nachmittag Prosecco trinkend auf ihrer Terrasse verbracht. Der Hund habe sie dann "von einer Sekunde auf die andere mitgerissen", schilderte die 49-Jährige. Sie habe noch "probiert", ihn von dem Buben "wegzubringen", was ihr nicht gelang. Was dann geschah, habe sie "in einen Schrecken, einen Ausnahmezustand" versetzt.
Zeugin schlug auf Hund ein
Eine 40-jährige Frau, die der Angeklagten und deren Rottweiler in einem Abstand von wenigen Metern gefolgt war, wurde zufällig Zeugin der Kampfhund-Attacke. Während die Hundehalterin nicht in der Lage war, ihr wild gewordenes Tier zu bändigen, ging die Freizeitpädagogin, die selbst einen Hund besitzt, couragiert dazwischen.
Sie habe den Rottweiler am Halsband gepackt, zu Boden gedrückt und mit dem Unterarm fixiert, schilderte die 40-Jährige. Dann habe sie dem Hund "ins Gesicht gehaut, dass er los lässt. Ich habe fünf bis sechs Mal hingehaut mit der Faust". Der Besitzerin des rabiaten Kampfhunds habe sie "Ziehen Sie den Hund weg!" zugerufen. Als der 17 Monate alte Bub endlich befreit war, habe sie "überall Blut" wahrgenommen. Weil ihr in der Aufregung die Telefonnummer der Rettung nicht einfiel, sei sie zum nächsten Haus gelaufen und habe gegen die Fensterscheiben geschlagen und die Alarmierung der Rettungskräfte veranlasst. Dann sei sie zurück zum Tatort gerannt, wo sie sich kurzerhand ihr T-Shirt auszog: "Ich wollte dem Kind den Kopf zusammenbinden."
Angeklagte fühlte sich "nicht dramatisch" betrunken
Eine zweite Augenzeugin meinte, die Angeklagte habe auf sie "ein bisschen schockiert" und nicht betrunken gewirkt. Jene fühlte sich "nicht dramatisch" alkoholisiert, "sonst wär' ich gar nicht rausgegangen", wie die 49-Jährige zuvor dem Richter anvertraut hatte. Nach dem Vorfall habe sie sich "in einem Schockzustand" befunden, habe drei Wochen bei einer Freundin verbracht und sich nicht mehr nach Hause getraut, weil Reporter ihre Wohnung belagert hätten. "Beim Arzt war ich auch noch, weil ich nicht schlafen konnte", gab die Angeklagte zu Protokoll.
Auf die zeugenschaftliche Einvernahme der Großeltern wurde verzichtet, um diese nicht zu retraumatisieren, wie der Richter meinte. Der Vater des getöteten Buben verfolgte die Verhandlung als Zuhörer. Die Angeklagte habe sich bei der betroffenen Familie schriftlich entschuldigt, erklärte deren Rechtsvertreterin Nadine Illetschko. Die 49-Jährige habe aufgrund der zahlreiche Medienberichte über den tödlichen Hundebiss ihren Job verloren. Der bissige Rottweiler wurde eingeschläfert.
Wien verschärfte Regeln für Kampfhunde
Nach der tödlichen Attacke des Rottweilers hatte die Stadt Wien das Hundehaltegesetz verschärft und besonders für Halter von Kampfhunden strengere Regeln beschlossen. So wurde für sogenannte Listenhunde eine generellen Beißkorb- und Leinenpflicht eingeführt. Für deren Halter gilt eine Alkoholgrenze von 0,5 Promille.
(APA/red.)