Dänemark: „Recht dient auch der Abschreckung“

Nur rund 200 Frauen tragen Vollschleier – die meisten sind konvertierte Däninnen.

Kopenhagen. Mit einem Vorschlag für das generelle Verbot von Ganzkörperschleiern ist die dänische Regierung schon einmal kläglich gescheitert. Jetzt versucht sie, der Handvoll Burka- und Niqab-Trägerinnen im Land mit anderen Mitteln das Leben zu vergällen: Wer sein Gesicht nicht zeigen will, soll weder an Unterricht oder Prüfungen teilnehmen können noch Jobs ausüben, in denen der Umgang mit anderen Menschen erforderlich ist.

Auch wer mit einer Monatskarte die öffentlichen Verkehrsmittel benützt, muss dem Fahrer die Möglichkeit geben, zu überprüfen, ob die Inhaberin der Karte jene Person ist, deren Gesicht auf der Karte abgebildet ist. Also muss der Fahrer von der Person die Enthüllen ihres Gesichts fordern können.

Hart bestraft sollen Männer werden, die ihre Frauen zum Tragen der Verhüllung zwingen: Den Strafrahmen dafür hat die Regierung von zwei auf vier Jahre Gefängnis erhöht.

Totalverbote gescheitert

Dies sei „Symbolgesetzgebung“, kritisieren Gegner der neuen Regeln. Bisher gab es indes noch keinen einzigen Fall, in dem jemand wegen Burka-Zwangs vor Gericht gekommen wäre. Doch die Regierung meint, dass Gesetze ja nicht nur zur Bestrafung, sondern auch zur Abschreckung dienten. Daher sei die Verschärfung legitim.

Mit dem von den Konservativen ursprünglich lancierten Vorschlag, Burka und Niqab völlig aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, erlitt die Regierung allerdings Schiffbruch, als ihre eigenen Juristen den Antrag als verfassungswidrig einstuften. Auch der liberale Koalitionspartner war sehr skeptisch, während der rechte Flügel und laut Umfragen auch eine Mehrheit der Bevölkerung einem Totalverbot applaudierten.

Zwang zum Rückzug ins Haus?

Eine Studie über die Verwendung der Schleier rückt die Dimensionen zurecht: Kaum eine Frau in Dänemark trägt die völlig verhüllende Burka, die Zahl der Niqab-Trägerinnen, bei denen ein Augenschlitz zu sehen ist, liegt bei rund 200. Die Hälfte davon sind konvertierte Däninnen, für die das Argument, sie würden von ihren Männern gezwungen, kaum zutrifft.

Doch auch jenen Frauen, die tatsächlich unter heimischem Zwang litten, hülfen die neuen Regeln nicht, kritisieren die Gegner des Gesetzes: Je schwieriger das öffentliche Tragen der traditionellen Kleidung gemacht werde, desto stärker würden diese Frauen isoliert und gezwungen, eben im Haus zu bleiben.

Auch im übrigen Skandinavien werden heftige Debatten über die Burka geführt, Verbote gibt es aber noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2010)

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