Sollte sich die Bundeshauptstadt weigern, die Mindestsicherungsreform umzusetzen, hätte der Bund mehrere Optionen, sagt ÖVP-Klubchef Wöginger. Er betont: "Es kann nicht sein, dass sich acht Bundesländer an etwas halten und nur Wien nicht."
Der Nationalrat hat sich am Mittwoch einmal mehr mit der von der türkis-blauen Bundesregierung angestrebten Reform der Mindestsicherung befasst. Letztere hatte bei der Präsentation des ersten Entwurfs für harsche Kritik, insbesondere von der rot-grünen Wiener Stadtregierung, gesorgt. SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker hatte gar gedroht, das Gesetz so nicht umsetzen zu wollen. Mittlerweile wurde der Entwurf überarbeitet, beschlossen wurde er aber noch nicht. Dennoch drohte die Volkspartei der Stadt vorsorglich mit Sanktionen, sollte sie sich noch immer weigern, das Rahmengesetz umzusetzen. Ebenfalls wenig freundliche Töne fielen im Nationalrat.
>>> Was die Regierung bei der Mindestsicherung ändern will
Der Reihe nach: ÖVP-Klubchef August Wöginger betonte am Mittwoch im Ö1-„Morgenjournal“: „Wien muss uns ja eigentlich dankbar sein, weil sich die Bundeshauptstadt dadurch auch viel Geld ersparen würde.“ Immerhin würde der Großteil der Mindestsicherungsbezieher in Wien leben „und deshalb werden wir darüber nachdenken, wie man das beim Finanzausgleich auch sanktionieren könnte“. Denn: „Der Finanzausgleich ist das geeignete Mittel dazu, da werden letzten Endes die Finanzmittel zwischen Bund und Ländern verteilt“, meinte Wöginger.
Auf die Nachfrage, ob das folglich bedeute, dass Wien weniger Geld bekommen werde, antwortete der türkise Klubobmann knapp: „Zum Beispiel.“
"Wien würde Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen"
Allerdings gebe es auch andere Sanktionswege, sollte die Bundeshauptstadt die Reform beispielsweise in ungenügender Weise umsetzen: „Dann würde Wien den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen und dann könnten wir auch mit einer Drittelbeschwerde letzten Endes zum Verfassungsgerichtshof gehen“, erläuterte Wöginger. Für eine solche Beschwerde sind ein Drittel der Stimmen im Parlament notwendig.
Eine weitere Option, sollte Wien das Gesetz gar nicht umsetzen: Der Bund könnte der Stadt ein „Ausführungsgesetz“ vorschreiben. „Und wird das auch nicht gemacht“, spielte Wöginger im ORF-Radio das Szenario durch, „dann kann der Landeshauptmann durch einen Beschluss der Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden“. Immerhin, so rechtfertigte Wöginger ein solches, mögliches Vorgehen, „kann es nicht sein, dass sich acht Bundesländer an etwas halten und nur Wien nicht“.
Hartinger-Klein: "Wollen nicht, dass Steuergeld an Wirtschaftsflüchtlinge verteilt wird"
Im Nationalrat waren die Fronten ähnlich verhärtet: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sorgte bei SPÖ, Neos und Liste Jetzt für Empörung, als sie meinte, dass die Reform den Österreichern diene, "weil wir nicht wollen, dass weiterhin hart verdientes Steuergeld an Wirtschaftsflüchtlinge verteilt wird". An Rot-Grün in Wien gewandt, meinte die Ministerin, dass die Stadt die "illegale Einwanderung braucht und fördert". ÖVP-Klubchef Wöginger wiederholte daraufhin seine Argumente: Auch nach der Reform werde man "wahrscheinlich weltweit die höchste Sozialleistung noch" haben. Eine fünfköpfige Familie komme künftig auf 1600 Euro netto pro Monat, mit zusätzlich 600 Euro Familienbeihilfe, was bedeute, dass für drei Kinder insgesamt 1000 Euro zur Verfügung stünden.
Die SPÖ zeigte sich über die Äußerungen entsetzt. "Das war die schlechteste, tendenziöste und unpackbarste Rede, die ich je gehört habe", sagte Vizeklubchef Jörg Leichtfried in Richtung Hartinger-Klein und verlangte - vergeblich - einen Ordnungsruf für die Ministerin. Ähnlich Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: "Ihre Worte waren, das möchte ich Ihnen persönlich sagen, das menschenverachtendste, das ich aus Ihrem Mund je gehört habe."
"Ich geniere mich für das Hohe Haus heute", meinte auch Gerald Loacker von den Neos über die "Märchen" der Bundesregierung. Dass arbeitende Bürger die Dummen und Ausländer und ihre Kinder schuld daran seien, stimme nicht. ÖVP und FPÖ wollten offensichtlich das Rad der Zeit zurückdrehen, kritisierte Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Jetzt, "in eine Zeit, wo die Armen bekämpft wurden, und nicht die Ursachen". Der seit 2010 erfolgreich begangene Weg der Mindestsicherung und das Ziel der Armutsbekämpfung sei damit am Ende.
>>> Bericht im Ö1-„Morgenjournal“
(Red./APA)