Nach der Gerichtsentscheidung in den USA ist der Börsenwert von Bayer und Monsanto auf 52,6 Milliarden Euro gefallen. Das ist weniger, als Bayer einst für Monsanto zahlte.
Wien. Die Übernahme des umstrittenen US-Saatgutkonzerns Monsanto entwickelt sich für den deutschen Agrar- und Pharmariesen Bayer zum Desaster. Denn Monsanto stellt das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat her. Gegen die Bayer-Tochter laufen in den USA zahlreiche Klagen wegen möglicher Krebsrisken bei Glyphosat. Monsanto erlitt vor Gericht bereits zwei schwere Rückschläge. Die Bayer-Aktie befindet sich seitdem im freien Fall. Denn die Aktionäre befürchteten Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe.
Wie dramatisch die Situation geworden ist, zeigt der Börsenwert von Bayer mit Monsanto. Am Mittwoch lag die Marktkapitalisierung bei rund 52,6 Milliarden Euro. Das sind umgerechnet 59,4 Milliarden US-Dollar. Damit ist Bayer (inklusive Monsanto) weniger wert als der einstige Kaufpreis von Monsanto. Für den US-Konzern zahlten die Deutschen rund 63 Milliarden US-Dollar.
Die Fondsgesellschaft Union Investment befürchtet, dass Bayer ein Übernahmekandidat wird. Union Investment gehört zur deutschen Volks- und Raiffeisenbankengruppe und ist an Bayer beteiligt. „Sollte der Kurs auf Dauer bis ins Jahr 2020 hinein so niedrig bleiben, wächst die Gefahr einer Übernahme“, sagte Markus Manns, Portfoliomanager bei Union Investment, am Mittwoch. Denn dauerhaft niedrige Kurse „locken Investoren an, die gerne die Auswechslung des Vorstands und eine Zerschlagung verlangen, wie sich in anderen Branchen zeigt“, warnte Manns im Interview mit der „Rheinischen Post“.
Bayer bestreitet alle Vorwürfe
Das Problem ist, dass derzeit niemand die Höhe der möglichen Schadenersatzforderungen in den USA abschätzen kann. Falls Bayer mehr als zehn Milliarden US-Dollar zahlen müsse, habe der Bayer-Vorstand die Risken von Monsanto klar unterschätzt, sagte Manns.
Bei der nächsten Hauptversammlung von Bayer Ende April sind in der Causa Monsanto zahlreiche Fragen von kritischen Aktionären zu erwarten. Zuletzt bezeichnete der Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger die Monsanto-Übernahme als „den größten und schnellsten Wertvernichter der DAX-Geschichte“.
Strenger ist in Deutschland Experte im Bereich Corporate Governance, darunter wird eine gute und transparente Unternehmensführung verstanden. Er fordert die Bayer-Aktionäre auf, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Doch Bayer-Chef Werner Baumann weist alle Vorwürfe zurück. Auch ein Rücktritt kommt für ihn nicht infrage. „Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee“, meinte er vor Kurzem in einem Interview. Zum niedrigen Aktienkurs meinte er, die Börse neige zu „Übertreibungen“. Das Unternehmen befinde sich in einer guten Verfassung. „Die hervorragenden Wachstumsperspektiven, die Ertragskraft, das Portfolio – all das sehe ich nur sehr unvollständig im derzeitigen Börsenwert gespiegelt“, sagte der Bayer-Chef.
Bis Ende Jänner wurden in den USA rund 11.200 Klagen gegen die Bayer-Tochter eingebracht. In der Vorwoche entschieden die Geschworenen in einem Gericht in den USA in der ersten Phase eines Verfahrens, dass das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup ein wesentlicher Faktor für die Krebserkrankung des Klägers gewesen sei. Dabei handelt es sich um ein Musterverfahren.
Es sind zahlreiche ähnliche Klagen anhängig. In der zweiten Phase des Gerichtsverfahrens geht es nun darum, ob Monsanto über Risken hinwegtäuschte und wie hoch der mögliche Schadenersatz sein könnte. Bayer ist davon überzeugt, das Gericht in der zweiten Phase überzeugen zu können, dass Monsanto nicht für die Krebserkrankung verantwortlich gemacht werden kann. Im Vorjahr hatte Bayer in einem anderen Prozess einen Rückschlag erlitten. Zunächst war einem krebskranken Kläger ein Schadenersatz in der Höhe von 289 Millionen US-Dollar zugesprochen worden, später wurde der Betrag auf rund 78 Millionen US-Dollar reduziert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2019)