Der Konzern muss 80,3 Mio. Dollar an einen Kläger zahlen, an dessen Krebserkrankung der Unkrautvernichter Roundup der Bayer-Tochter Monsanto schuld sein soll.
Leverkusen/St. Louis. Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer hat in einem wichtigen Großprozess um angeblich krebserregende Produkte der Tochter Monsanto eine herbe Schlappe erlitten. Die Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco urteilte am Mittwoch, dass Monsanto für Krebsrisken des Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat haftbar ist.
Das Unternehmen muss dem 70-jährigen Kläger Edwin Hardeman Schadenersatz in Gesamthöhe von 80,3 Mio. Dollar (71,4 Mio. Euro) zahlen. In der vergangenen Woche war die Jury einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass Roundup als wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebserkrankung Hardemans einzustufen sei. Hardeman zeigte sich von dem Urteil „überwältigt“. Der Pensionist hatte das Herbizid über viele Jahre hinweg auf seinem Grundstück eingesetzt.
Monsanto-Kauf „gute Idee“
In der zweiten Runde des Verfahrens ging es um die Haftungsfrage und darum, wie viel Entschädigung dem Kläger zusteht. Die Summe setzt sich zusammen aus 5,3 Mio. Dollar an regulärem Schadenersatz und 75 Mio. an Strafschadenersatz, der im US-Recht zusätzlich verhängt werden kann.
Die Bayer-Aktie reagierte mit leichten Kursverlusten und setzte damit einen steilen Abwärtstrend fort. An der Börse steht Bayer wegen der vielen Glyphosat-Klagen in den USA inzwischen massiv unter Druck. Mittlerweile notiert der Börsenwert deutlich unter den 63 Mrd. Dollar (56 Mrd. Euro), die die Leverkusener sich den Monsanto-Kauf hatten kosten lassen. Anleger und Analysten fragen sich, ob Bayer die Risken der bisher teuersten Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens unterschätzt hat. Trotz aller Probleme verteidigt Bayer-Chef Werner Baumann die Übernahme. „Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“).
Bayer zeigte sich vom Urteil enttäuscht und kündigte an, Berufung einzulegen. Dennoch ändere das Urteil nichts „am Gewicht von über vier Jahrzehnten umfangreicher wissenschaftlicher Arbeit und den Schlussfolgerungen von Regulierungsbehörden weltweit, welche die Sicherheit unserer glyphosatbasierten Herbizide und die Schlussfolgerung stützen, dass diese nicht krebserregend sind“. Das Urteil habe keinen Einfluss auf zukünftige Fälle – jedes Verfahren sei auf Basis der jeweiligen Umstände gesondert zu betrachten. Dennoch ist der Fall für Bayer hochbrisant, da es sich um einen richtungsweisenden „Bellwether Case“ handelt. Damit ist im US-Recht eine Art Musterfall in einem Massenverfahren gemeint. Mehrere dieser repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei dem zuständigen US-Richter Vince Chhabria mehrere Hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.
11.200 Kläger
Die Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen, nachdem eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson in einem anderen Verfahren im August 289 Mio. Dollar an Schmerzengeld und Entschädigung zugesprochen hatte. Die Richterin senkte zwar die Strafe später auf gut 78 Mio. Dollar (69 Mio. Euro), im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts. Bayer hat auch in diesem Verfahren Berufung eingelegt. Doch das jetzige Verfahren war erst der Anfang: Bis Ende Jänner wurden Monsanto in den USA glyphosatbezogene Klagen von etwa 11.200 Klägern zugestellt. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2019)