"Tausende Leute fragen dich um ein Selfie, da fragt man nicht, wer sie sind", sagt der Bundespräsident zu einer Aufnahme, die ihn mit Identitären-Chef Sellner zeigt. Da müsse er FPÖ-Chef Strache Recht geben.
Nach dem Bekanntwerden einer Spende des Neuseeland-Attentäters an die österreichischen rechtsextremen Identitären, prüft die Bundesregierung nun die Auflösung der Organisation. Es gebe "keine Toleranz für gefährliche Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen", rechtfertigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) diesen Schritt. Man werde mit der "vollen Härte des Gesetzes" gegen derartiges Gedankengut vorgehen, kündigte er an. Am späten Donnerstagabend meldete sich dann auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Causa zu Wort: "Jeder Mensch und jede politische Gruppierung tut gut daran, jeden echten oder scheinbaren Kontakt zu diesen Rechtsextremisten zu meiden und darauf zu achten, welche Wortwahl man in politischen Äußerungen verwendet", sagte er.
Das Vorhaben der Regierung, prüfen zu wollen, ob man die Identitären auflösen könne, sah Van der Bellen aber kritisch: "Das würde ich mir dreimal überlegen. Die Auflösung eines Vereins ist eine juristisch sehr heikle Angelegenheit." Seiner Ansicht nach sei "dieses Problem" nicht juristisch zu lösen, sondern "es ist eine politische Frage". Konkret müssten die Identitären gefragt werden, ob sie mit "dem Wording dieses australischen Killers etwas anfangen können oder nicht", sagte er in der ORF-Sendung "ZiB2".
Relevanter sei außerdem, aus welchen Gründen der Attentäter von Christchurch überhaupt an die österreichischen Identitären gespendet habe: "Bestehen hier Parallelen in den politischen Aussagen? Teil eine Gruppierung die Meinung dieses Massenmörders über den sogenannten großen Austausch? Das gehört erledigt – nicht nur im Interesse der Betroffenen, sondern im Interesse Österreichs."
"Tausende Leute fragen dich um ein Selfie"
Anlass der Wortmeldung des Bundespräsidenten war, dass FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz am Donnerstag in der Debatte im Nationalrat eine Aufnahme gezeigt hatte, auf der Identitären-Chef Martin Sellner mit Van der Bellen zu sehen ist. Das Staatsoberhaupt erklärte diesen Umstand so: Er müsse FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache Recht geben, dass so etwas passieren könne: "Tausende Leute fragen dich um ein Selfie, da fragt man nicht, wer sie sind", betonte er.
Strache hatte bekanntlich ein Verfahren gegen den Politberater Rudolf Fußi angestrengt, der ihn in einem Posting auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in die Nähe der rechtsextremen Identitären gerückt hatte.
Konkret geht es bei der Causa um ein Foto aus dem Jahr 2015, entstanden während der damaligen großen Flüchtlingsbewegung. Strache hatte gemeinsam mit anderen FPÖ-Funktionären den Grenzort Spielfeld besucht und war danach in das Lokal "Las Legas" eingekehrt, wo er sich mit Gästen unterhielt. Das umstrittene Foto zeigt Strache an einem Tisch mit anderen Freiheitlichen und mit mutmaßlichen Mitgliedern der Identitären.
Identitäre Bewegung Österreich
Die Identitäen sind seit 2012 in Österreich aktiv. Der Verfassungsschutz bezeichnet die Organisation "aktuell als eine der wesentlichen Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus". Mehrmals riefen bereits Aktionen der Aktivisten die Justiz auf den Plan. Diese reichten von Störung von Veranstaltungen bis hin zum Besteigen von Hausfassaden und -dächern, wie etwa im Jahr 2016, als Identitäre das Dach der Parteizentrale der steirischen Grünen in Graz erklommen, rote Farbe aufs Dach schütteten und bengalische Feuer entzündeten. Diese und andere Aktionen führten im Mai 2018 zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft Graz wegen Verhetzung und Bildung einer krimineller Vereinigung. Die 17 Angeklagten überstanden den Prozess ohne Verurteilung.
Identitären-Chef Martin Sellner ist europaweit vernetzt, vor allem in Deutschland. Aber auch zur "Alternativen Rechten" in den USA hält der Identitären-Chef Kontakt. Auch zur FPÖ gibt es Berührungspunkte. Wahlsiege der Freiheitlichen wurden von Sellner und seinen Mitstreitern in den sozialen Medien oft positiv kommentiert, auch waren Identitären-Vertreter immer wieder auf Veranstaltungen der FPÖ zu finden. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache stellte immer wieder Beiträge der Identitären auf seine Facebook-Seite, 2016 teilte er ein Werbevideo der Rechtsextremen ("Komm in die Identitäre Bewegung") und lobte ihren "friedlichen Aktionismus". Mitglieder der Bewegung bezeichnete er als "junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft". In jüngster Vergangenheit ging Strache allerdings auf Distanz.
(Red.)