"Hauptwohnsitz" im Ministerium: Neos-Abgeordneter angezeigt

Ab sofort möglich: Wohnsitzänderung via App.
Ab sofort möglich: Wohnsitzänderung via App.APA/HANS KLAUS TECHT
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Gerald Loacker hat die von der Regierung vorgestellte App "Digitales Amt" ausprobiert - und eine falsche Adresse eingetragen. Nun wurde er von der Burghauptmannschaft wegen einer "bewussten Falschmeldung" angezeigt.

Den Hauptwohnsitz wechseln, ohne das Haus zu verlassen? Über die in der Vorwoche von der Bundesregierung vorgestellte App „Digitales Amt“ beziehungsweise die Website oesterreich.gv.at ist das möglich geworden. Schon rund 18.000 Österreicher haben sich seither registrieren lassen, um Amtswege auf digitalem Wege erledigen zu können. Allerdings: Der Hauptwohnsitz kann über die App auch an Orte verlegt werden, an denen er sich gar nicht befindet – wie ein Versuch des stellvertretenden Klubobmanns der Neos, Gerald Loacker, zeigt, der ihm am Freitag prompt eine Anzeige einbrachte. Die Burghauptmannschaft teilte mit, dass sie Loacker wegen einer „bewussten Falschmeldung" gemäß Meldegesetz angezeigt hat. Es droht eine Geldstrafe von bis zu 726 Euro.

Der Hintergrund: Auf dem aktuellen Meldezettel von Loacker heißt es, sein Hauptwohnsitz befinde sich am Stubenring 1 in Wien. tatsächlich handelt es sich dabei aber um die Anschrift des Ministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort von Margarete Schramböck (ÖVP). „Ich habe mir gedacht, da gibt es sicher eine Sicherheitsüberprüfung, die das nicht zulässt – und schwupps, schon habe ich meinen Wohnsitz da im Ministerium anmelden können“, sagte Loacker Donnerstagabend in der ORF-Sendung „ZiB2“.

Er habe keine Unterschrift des Unterkunftgebers, etwa des Vermieters, vorweisen müssen, wie es bei einer Ummeldung am Meldeamt gemäß Paragraf 8 des Meldegesetzes Usus ist, sondern einfach per Klick die Adresse bestätigt.  Ein Umstand, der ihn Missbrauch befürchten lässt, etwa beim Wahlrecht: „Dort, wo Sie mit Wohnsitz gemeldet sind, wählen Sie. Man kann sich also nach Landtagswahlen richten und den Wohnsitz melden.“ Auch steuerliche Konsequenzen könnten ins Spiel kommen, meinte der Abgeordnete: „Bekomme ich eine Pendlerpauschale, bekomme ich keine? Auch das hängt vom Wohnsitz ab“, so Loacker, der ankündigte, seinen Wohnsitz bald wieder korrigieren zu wollen.

Ministerium ortet keinen Sicherheitsunterschied

Das Wirtschaftsministerium kommentierte die Angelegenheit gegenüber der „ZiB2“ zunächst nur knapp: „Für die Online-Ab- und Anmeldung wurde vorgesehen, dass die Unterschrift des Unterkunftgebers entfällt, jedoch zusätzlich zu dessen Namen auch die Adresse angegeben werden muss, um die Richtigkeit der Meldung weiterhin überprüfen zu können“, wurde aus dem Digitalisierungsressort mitgeteilt. Außerdem sei man für eine weitere Ummeldung via App vier Wochen lang gesperrt. Und: „Bei unkonventionellen Meldungen kann die Meldebehörde Überprüfungen durchführen. Wir sehen daher hinsichtlich Sicherheit keinen Unterschied zum aktuellen Prozess.“

Am Freitag zu Mittag ergänzte das Ministerium in einer Aussendung dann eine Warnung vor vorsätzlichen Falschmeldungen, denn dies wäre „absichtlicher Betrug“ und ein Verstoß nach dem Meldegesetz - und damit ein Straftatbestand. „Die digitale Welt ist kein rechtsfreier Raum. Jeder Amtsweg, der online erledigt wird, löst die gleichen Konsequenzen aus wie ein Amtsweg in der analogen Welt“, wurde betont.

Ein Punkt, den mittlerweile auch die für das Gebäude zuständige Burghauptmannschaft (BHÖ) aufgegriffen hat: Das Gebäude diene als Sitz des Ministeriums und beinhalte keine Unterkünfte gemäß des Meldegesetzes, hieß es in einer Aussendung: „Die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes obwohl keine Unterkunftnahme erfolgen kann und daher auch nicht erfolgt ist, begründet aus Sicht der zuständigen Dienststelle den Verdacht eines Verstoßes gegen § 22 Abs. 1 Z 2 Meldegesetz." Man habe daher am Freitag eine Sachverhaltsdarstellung an den Wiener Magistrat als Meldebehörde erstattet.

Neos hatten für "Digitales Amt" gestimmt

Bei der Anmeldung eines Wohnsitzes ohne Unterschrift des Unterkunftgebers ist dem Bund allerdings kein Fehler unterlaufen. Es handelt sich dabei um die Umsetzung einer Gesetzesnovelle, die im Parlament Ende 2018 beschlossen worden war. Und zwar einhellig, auch mit den Stimmen der Neos.

Die recht sperrige Sammelnovelle brachte neben einfacheren digitalen Amtswegen etwa auch die Übertragung der Agenden der Stammzahlenregisterbehörde von der Datenschutzbehörde zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mit sich.

Loacker rechtfertigte am Freitag  das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion. "Wir haben dem E-Government-Gesetz zugestimmt, weil wir grundsätzlich befürworten, wenn das Thema E-Government von dieser Bundesregierung forciert wird", ließ er in einer schriftlichen Stellungnahme wissen: "Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Umsetzung dieses Gesetzes von der Regierung professionell und ohne Missbrauchsmöglichkeit durchgeführt wird. Und das bezweifeln wir weiter ganz massiv."

Bürgermeister fordert Stopp von App

Chaos ortete indes Vizepräsident des österreichischen Gemeindebundes, Rupert Dworak, SPÖ-Bürgermeister in Ternitz. Er berichtete er von heftigen Beschwerden aus den Gemeinden. Das Innenministerium sei in der Pflicht, die Handy-App unverzüglich im Bereich des Meldewesens zu stoppen, bevor das Durcheinander noch größer werde, meinte Dworak.

Schon bei der Begutachtung der Novelle hatte es durchaus kritische Stimmen gegeben. So hatte die Volksanwaltschaft gewarnt, dass damit An- bzw. Ummeldung gänzlich ohne Nachweis des Haus- bzw. Wohnungseigentümers möglich würden. "Der Aspekt der Rechtssicherheit wird bei diesem Vorhaben, Behördenwege zunehmend zu digitalisieren, außer Acht gelassen", hieß es in der Stellungnahme: "Vielmehr wird die Möglichkeit für unbefugte Personen, An- bzw. Ummeldungen vorzunehmen, noch ausgeweitet."

Auch die Stadt Wien hatte Kritik geübt. "Es wird davon ausgegangen, dass diese Bestimmung zu einer massiven Zunahme von Scheinmeldungen führen wird", lautete die Warnung. Der Städtebund sah das ebenfalls "äußerst kritisch", und das Amt der niederösterreichischen Landesregierung oder auch das Land Salzburg sprachen sich für Maßnahmen gegen Missbrauch aus.

Auf einen Blick

Auf der Online-Plattform oesterreich.gv.at bzw. der dazugehörigen App „Digitales Amt“ finden sich in einer übergreifenden Volltextsuche alle Informationen aus den bestehenden Portalen help.gv.at, Unternehmensserviceportal, Rechtsinformationssystem und data.gv.at zentral an einer Stelle. Um Amtswege digital abzuwickeln, wird nur die Handysignatur als rechtsgültige elektronische Unterschrift im Internet benötigt. Damit können Formulare ausgefüllt und elektronisch signiert werden. Einmal angemeldet, sind über „Single Sign-On" viele Services erreichbar, wie etwa das elektronische Postfach MeinPost-korb, der Familienbonus Plus-Rechner, der „Digitale Babypoint"  sowie die Portale FinanzOnline, Unternehmensservice-Portal, Transparenzportal und e-Tresor zum Speichern digitaler Dokumente.

Schon für die kommende EU-Wahl kann vom Desktop oder Smartphone aus der Wahlkartenantrag erfolgen, wobei alle bekannten Daten vorausgefüllt werden. Für die bis zu 850.000 pro Jahr ablaufenden Reispässe sowie Personalausweise ist über die Plattform ein Erinnerungsservice direkt aus dem Identitätsdokumentenregister (IDR) aktivierbar, um sechs Wochen vor Ablauf ein Erinnerungs-E-Mail zu bekommen. Ab Mai 2019 wird eine Push-Notification diesen Dienst übernehmen.

>> zum Bericht in der ORF-„ZiB2“

(hell/APA)

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