Erstmals sprechen Fische mit Bienen

(c) Artificial Life Lab, Karl-Franzens Universität Graz & LSRO, École polytechnique fédérale de Lausanne
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Mithilfe von Robotern kamen Fische in Lausanne mit Bienen in Graz gemeinsam zu einer Entscheidung. Die Forscher setzen so den ersten Schritt, um mit künstlicher Kommunikation instabile Ökosysteme reparieren zu können.

Die Kommunikation zwischen verschiedenen Tierarten ist an sich nicht ungewöhnlich: Jede Spezies lebt in Wechselwirkung mit anderen Arten. So wie wir Menschen auf Hundewinseln oder Katzenjammern reagieren, passiert artübergreifende Kommunikation auch, wenn Tiere auf dem Waldboden flüchten, weil sie den Warnruf des Eichelhähers hören. „In unserem Experiment konnten aber Tierarten miteinander kommunizieren, die in total verschiedenen Welten leben und die die Natur nicht darauf vorbereitet hat, Informationen auszutauschen. Und das mithilfe von autonomen Robotern und über weite Distanzen“, sagt Thomas Schmickl, Leiter des Artificial Life Laboratory an der Uni Graz.

In seinem Labor leben Honigbienen in Gemeinschaft mit Minirobotern: Die kleinen Säulen senden Wärme, Vibrationen und Luftpulse aus, die von den Bienen z. B. als „Hier will ich verweilen“-Signal verstanden werden. Zugleich lernen die Roboter vom Verhalten der Bienen. Nicht zufällig heißt das EU-Projekt, das die Uni Graz für fünf Jahre leitete, Assisi, denn so wie Franz von Assisi wollen die Forscher mit Tieren kommunizieren.

Schwarmsysteme gezielt lenken

Bei einem der Projektpartner, der Technischen Universität EPFL in Lausanne (Schweiz), schwimmen kleine Zebrafische gemeinsam mit einem Roboterfisch durch das Aquarium. Dieser reagiert ebenfalls auf die Kontakte mit den echten Fischen und sendet Vibrationen als Signale mit der Schwanzflosse aus, die die Fische z. B. als Hinweis verstehen, wohin sie schwimmen sollen.

Sowohl Fische als auch Bienen leben in typischen Schwarmsystemen, bei denen sich die gesamte Gruppe auf eine Entscheidung einigt, indem jedes einzelne Tier auf simple Signale in seiner Umgebung reagiert. „In unserer bisherigen Forschung waren wir erstaunt, wie wenige subtile Reize aus dem Roboter es braucht, um Bienen von einer Wärmezone im Stock zur anderen zu lenken. Wir verstehen dabei, wie kollektive Entscheidungen zustande kommen“, so Schmickl. Nun hat es erstmals geklappt, dass die Signale, die die Bienenroboter in Graz verstehen, mit denen, die der Fischroboter in Lausanne erkennt, digital vernetzt werden: Die Sprache der Bienen wird in die Sprache der Fische übersetzt und umgekehrt.

Tiere und Maschinen stimmen demokratisch ab

„Damit haben wir eine demokratische Abstimmung mit drei Kammern geschaffen“, sagt Schmickl. Die Fische verhandeln mit ihrem Fischroboter, die Bienen mit den Bienenrobotern, und die Roboter verhandeln untereinander. „Wobei die Roboter nicht die Tiere dominieren, es beeinflussen sich alle gleichwertig.“

Als Ergebnis sammelte sich die Bienengruppe stets um den linken Roboter, wenn die Fische in Lausanne im Uhrzeigersinn kreisten, und wechselte zum rechten Roboter, wenn die Fische 675 Kilometer Luftlinie entfernt gegen den Uhrzeigersinn schwammen. Das hier gefundene Wissen darüber, was es also braucht, um ein Bienenvolk zu lenken, könnte auch helfen, zu verstehen, wie Schwarmintelligenz in der menschlichen Crowd abläuft. So stehen Unternehmen wie Cambridge Analytica im Verdacht, mit gezielten Eingriffen bestimmte Gruppenmeinungen etwa in sozialen Medien in bestimmte Richtungen lenken zu können. „Wenn wir die Mechanismen kennen, die eine kollektive Entscheidung herbeiführen, können wir das System auch manipulieren“, erklärt Schmickl. Der Fischroboter kann den Fischschwarm in eine zuvor unbeliebte Aquariumskammer lenken, die Bienenroboter bringen Bienen an einen Fleck im Nest, zu dem sie sonst nie hingegangen wären.

Nur mal kurz die Welt retten

Die Zoologen hatten in diesen Versuchen aber nichts Böses im Sinn, sie wollen mit der gelungenen Sensation eigentlich die Welt retten: Denn zum ersten Mal existiert nun die Möglichkeit, durch technische Hilfsmittel die Sprache der einen Tierart in die Sprache der anderen Tierart zu übersetzen und sie „verhandeln“ zu lassen. „Wir befinden uns im sechsten großen Massenaussterben seit der Entstehung der Erde“, berichtet Schmickl. Das fünfte Massenaussterben von Tierarten war vor 66 Millionen Jahren bei der Auslöschung der Dinosaurier. Derzeit sprechen Wissenschaftler von einer „Insektenapokalypse“.

„75 Prozent aller Insektenarten verschwinden. Infolgedessen verschwinden die Vögel. Zugleich herrscht ein massiver Einbruch bei den Meeresbewohnern, nicht nur den Fischen. Unsere Ökosysteme befinden sich im Zusammenbruch, das Bienensterben ist nur die Spitze des Eisbergs“, urteilt Schmickl.

Erste künstliche ökologische Verbindung von Tierarten

„Mit jeder Art, die verloren geht, verschwinden auch die Interaktionen mit allen anderen Organismen. Das sind Hunderte Wechselwirkungen, die jeweils ein Ökosystem stabilisiert hatten. Durch den Verlust wird das System instabiler, es kommt zu weiterem Artensterben, wobei jeweils wieder Hunderte Wechselwirkungen verloren gehen. Das kann zur totalen Katastrophe führen, auch lebensbedrohlich für uns Menschen werden.“ Die Verknüpfung der Sprache der Bienen mit jener der Fische ist nach aktuellem Wissensstand die weltweit erste künstliche ökologische Verbindung, die zwischen Tierarten erstellt wurde, die vorher nicht miteinander interagiert haben.

„Wenn wir mit dieser Technik ins Freiland gehen, könnten wir reparierend eingreifen, wo ökologische Wechselwirkungen verloren gehen. Man kann auch innerhalb einer Tierart neue Kommunikation ermöglichen, wenn Populationen durch Barrieren getrennt wurden, oder einfach Bienen als Bestäuber zu gewünschten Pflanzen in der Landwirtschaft lenken.“

Video und Puplikation

Das Projekt ASSISIbf in Wort und Bild:

Projektinfos auf Youtube

Die Science-Publikation gibt es bei Artificial Life Lab Uni Graz zum Anklicken:

Public Open Access

Lexikon

Kollektive Entscheidungen gibt es nicht nur bei politischen Wahlen, sondern häufig im Tierreich: Schwarmintelligenz bringt die ganze Gruppe zum optimalen Ergebnis, indem jedes Individuum auf simple Reize reagiert.

Schwarmorganismen stehen im EU-Projekt „ASSISIbf“ im Fokus: Bienen sind als Bestäuber für Ökosysteme wichtig. Fische sind als Nahrungsgrundlage, aber auch als Fraßfeinde der Mücken (Malaria etc.) für die Weltgesundheit bedeutend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2019)

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