Unterstützung für den Darm der Hochleistungskuh

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Symbolbild. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hochgezüchtete Schweine und Rinder leiden häufig unter Darmkrankheiten. Ein neues Labor an der Vet-Med-Uni Wien möchte die Gesundheit von Nutztieren erhöhen und den Medikamenteneinsatz verringern.

„Alle Erkrankungen beginnen im Darm“, zitiert Qendrim Zebeli Hippokrates. Er selbst ist auf einem Bauernhof in Albanien aufgewachsen. Dort wollte er Tierarzt werden, um die eigenen Rinder zu behandeln – fest überzeugt, dass die Ernährung der Dreh- und Angelpunkt in der Nutztierhaltung sei. In die Praxis ist er nicht mehr zurückgegangen, nun helfe er auf andere Art, meint der Forscher. Als er 2010 aus Kanada als Universitätsprofessor nach Wien kam, gründete er den Forschungscluster Animal Gut Health rund um dieses „zukunftsweisende Thema“, nun leitet er das neu eröffnete Christian-Doppler-Labor für Innovative Darmgesundheitskonzepte bei Nutztieren.

Darmflora im Ungleichgewicht

Das Darm-Mikrobiom, also die Gesamtheit aller im Darm lebenden Mikroorganismen, hat eine schützende Funktion: Es moduliert das Immunsystem und liefert Nährstoffe, die das Tier braucht, um gesund zu bleiben. Wenn das Gleichgewicht zwischen den Bakterienarten im Darm gestört ist, spricht man von einer Dysbiose. Sie macht nicht nur die Tiere krank, sondern gefährdet auch die Lebensmittelsicherheit, da sich gefährliche Keime wie Salmonella, Campylobacter und E. coli vermehren können. Es bilden sich Toxine, die über den Darm ins Blut gelangen und das Immunsystem beeinträchtigen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Fütterung von Nutztieren wesentlich leistungsorientierter. Während vor 70 Jahren eine durchschnittliche Kuh in Österreich 3000 Liter Milch im Jahr gab, sind es jetzt fast 8000 Liter. Sie braucht weniger Wasser und Futter und produziert weniger klimaschädliche Gase, frisst aber energiebetonter. Die Herausforderung für den Kuhdarm sei dadurch dreimal so groß, meint der Forscher, was eine gestörte Darmgesundheit zur Folge hat – das sei Hauptgrund für den gesteigerten Medikamenteneinsatz. Zwar dürfen Futtermittel in der EU seit 2006 keine Antibiotika und Hormone mehr enthalten, aber sie werden im Betrieb als Präventions- und als Behandlungsmittel eingesetzt.

Wie unser Fleischkonsum ist der Einsatz von Tiermedikamenten gestiegen – in Deutschland, Spanien und Italien ist er noch viel intensiver als hierzulande. Außerhalb der EU sind Medikamente im Futter und routinemäßige Hormonspritzen erlaubt. „Der Lebensmittelmarkt ist global. Wir essen Steaks aus Argentinien, Kanada, den USA“, sagt Zebeli, der internationale Sichtbarkeit für seinen Forschungsfokus schaffen will, der auf der Gesundheit des Tieres liegt.

Simulierter Schweinedarm

In seinem neu gegründeten Labor hat Zebeli ein internationales Team an Nachwuchsforschern aus unterschiedlichsten Disziplinen um sich versammelt: Tierernährungsexperten, Darmphysiologen, Molekularbiologen, Statistiker und Bioinformatiker von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und dem Interuniversitären Department für Agrarbiotechnologie in Tulln werden die nächsten sieben Jahre zusammenarbeiten. Ihr Ziel: die Mechanismen einer Darm-Dysbiose zu verstehen und Früherkennungsmethoden, natürliche Futterzusätze wie Probiotika und ätherische Öle und rationale Fütterungsstrategien zu entwickeln. Dazu wird im kleinen Maßstab der Darm des Tieres im Labor simuliert, gleichzeitig untersucht man die Darmkulturen geschlachteter Tiere mit molekularbiologischen Methoden. [ Foto: Vet-Med-Uni Wien]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2019)

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