Der Lenz und seine Rosen

Derzeit stehen beispielsweise die Lenzrosen in voller Blüte.
Derzeit stehen beispielsweise die Lenzrosen in voller Blüte.(c) Ute Woltron
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Die weißen Schneerosen sind längst verblüht, dafür haben jetzt die Lenzrosen, ihre engen Verwandten, in allen Farbnuancen von Schwarzpurpur bis Zartrosa ihren großen Frühlingsauftritt.

Das Gartenvolk zeichnet sich dieser Tage durch zerkratzte Arme, muskelverkaterte Gliedmaßen und den ersten Anflug von Sonnenbräune auf den Nasen aus. Zum Treffen, Kaffeetrinken und Tratschen hat kein Mensch Zeit, zu viel ist zu tun. Außerdem öffnen am Wochenende die diversen Flohmärkte, und Leute wie Susi T. und ich, wir holen uns dort unsere Gartenrüstungen(sic!). Alte Lederhandschuhe für die Feinarbeiten oder, einer von Susis Glücksgriffen, einen vielleicht vor Jahrzehnten modischen Lederoverall, mit dem sie sich zwar heute nicht sehen lassen, doch herrlich geschützt durch jedes Dickicht kriechen kann.


Die Stars dieser Tage. Der Flohmarkt ist auch jener Ort, an dem man mit etwas Glück Gefäße findet, die sich als Übertöpfe eignen, oder riesige Emailsiebe für das Abseihen diverser Jauchen und noch hunderterlei brauchbares Gartenzeug mehr. Die besten Flohmarktfunde sind zum Beispiel alte Blumenvasen in allen Größen. Susi T. und ich horten sie zu Dutzenden.

Das Blumenpflücken im eigenen Garten zählt zu den besten und im Frühling besonders feierlichen Gärtnermomenten. Derzeit stehen beispielsweise die Lenzrosen in voller Blüte, und obwohl man versucht ist, ganze Tröge damit zu füllen und in die Wohnung zu schleppen, verkneife ich es mir. Die Bienen sind auf Nahrungssuche, sie brauchen den Pollen jetzt dringend für die Aufzucht der Brut. Zumindest aber ein paar Blüten darf man stehlen und zur Schau stellen. Die Lenzrosen sind die Stars dieser ersten Frühlingstage, wer sie einmal im Garten heimisch gemacht hat, darf sich auf Überraschungen gefasst machen.

Meistens werden sie mit den Schneerosen verwechselt, deshalb hier ein kleiner Exkurs in die Genealogie der Pflanzengattung Helleborus. Die weiße Schnee- oder Christrose, Helleborus niger, auch Nieswurz genannt, ist eine selten gewordene, geschützte heimische Staude, die früher in jedem Bauerngarten anzutreffen war. Seit einigen Jahren ist sie wieder in Mode und wird gern bereits ab Dezember in verschiedenen Zuchtformen in Töpfen angeboten. Sie blüht oft schon im Dezember, spätestens im Jänner, und ihre Blüte ist immer weiß.

Im Gegensatz zur Schneerose, die nicht überall gedeiht und als eher anspruchsvoll gilt, sind die derzeit blühenden, größeren Lenzrosen robust. Es handelt sich um Helleborus-Orientalis-Hybriden, deren Ursprungsform aus Vorderasien stammt, es gibt sie in vielen Sorten. Manche blühen fast schwarz, andere rosa mit dunklen Tüpfchen. Wer Geduld aufbringt, pflanzt beispielweise dunkle und helle Sorten, vielleicht auch noch eine gefüllte dazu, lässt die Bienen ihr Werk tun und die Blüten stehen, bis die Samen ausgereift sind. Diese streut man dann quer durch den Garten aus. Wo es ihnen zusagt, überdauern die aus den Samen entstandenen Junglenzröschen. Die neuen Pflanzen werden zwar erst in zwei, drei Jahren blühen, doch ab dann wird es umso spannender.


Wilde Überraschungen. Die wildesten Blütenformen und Farben sind auf diese Weise entstanden, und jedes Mal, wenn eine junge Lenzrose ihre ersten Blütenknospen treibt, gibt es Überraschungen. Die Pflanzen selbst sind anspruchslos, einzig zu trocken darf es nicht sein. Ein Trick, um die Blütenfülle besonders schön zur Geltung zu bringen, besteht darin, zeitig im Jahr das winterharte Laub bodennah abzuschneiden. Die Radikalrasur hat den Vorteil, dass damit die einzige für die Helleborus-Familie gefährliche Krankheit weitgehend vermieden werden kann, denn gelegentlich werden die Pflanzen von der Schwarzfleckenkrankheit befallen. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2019)

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