Influenca kommt auf die Bühne: "Das Virus macht die Kunst kaputt"

Auf der Bühne ist Barbis Ruder Influenca, eine selfieliebende Figur des Internets.
Auf der Bühne ist Barbis Ruder Influenca, eine selfieliebende Figur des Internets. (c) Valerie Voithofer
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Die Künstlerin Barbis Ruder hat die schrille Influenca erschaffen, die ein Star in den sozialen Medien sein will. Über die Auswüchse des Internets.

Auf dem Sofa ist das nervtötende Lachen entstanden: Laut, penetrant und schrill. Barbis Ruder saß also stundenlang auf der Couch, machte Selfies, ahmte die dazugehörigen typischen Posen nach, lachte überdreht. „Ich hatte noch keine Ahnung“, sagt sie über diese frühen Stunden ihrer Performance, „wer die Figur ist.“ Sie war irgendwie lästig, dauernd glücklich, dennoch nicht sympathisch, aber ausgestattet mit dem unbedingten Willen, ein Social-Media-Star zu sein. Sie wollte für das und mit dem Internet leben. Also wurde sie nach der Performance zu Influenca, so heißt sie mittlerweile. Ein Kunstprodukt, die menschgewordene Instagram-Timeline, wenn man so will. „Sie ist als Figur eine absolute Bejahung, gleichzeitig eine soziale Krankheit.“

Ruder sitzt wieder auf der Couch, und zwar in einem Atelier der Uni für angewandte Kunst direkt am Prater, aber heute sitzt sie in Zivil hier. Neben dem Sofa steht eine Drahtinstallation, es ist Teil ihrer Dissertationsarbeit über Körper und Körperlichkeit. Als Ruder voriges Jahr Influenca erschuf, hatte sie sich länger mit der Frage beschäftigt, welche immens negativen Auswirkungen das Internet auf unser Leben, unser Wohlbefinden hat. Das freiwillige ununterbrochene Herzeigen der höchstpersönlichen Sphäre, ja, der eigenen Kinder, „das sind Sachen, die außer Kontrolle geraten sind“.

Mit ihren 35 Jahren bezeichnet sich Ruder selbst als die erste Internet-Generation, aufgewachsen sei sie mit Chat-Räumen und MP3-Musik, das Internet sei damals etwas freier, aber auch unkoordinierter gewesen. Über Datenschutz habe sich kein Mensch Gedanken gemacht. „Und jetzt haben wir einen kleinen Big Brother in der Hosentasche.“ Das Internet hat den Alltag noch mehr kapitalisiert – und mit Influenca wolle Ruder diese Entwicklung aufzeigen, karikieren und auf die Spitze treiben. Die Reminiszenz des Namens an die Grippe ist kein Zufall. Ruder sagt: „Selfies haben sich wie ein Virus verbreitet.“ Schrill und schräg ist also das neue Stück der Performance-Künstlerin rund um die Grippe-Figur. „How to viral“ nennt sie ihre Show, die sie ab April mit zwei anderen Künstlern im Brut Studio in Wien Neubau zeigen wird. „Der Virus ist die eine Sache“, sagt Ruder, „die andere ist die Krankheit des Systems. Diese Fragen wollen wir mit der Kunst verdrehen. Eine Conclusio ist: Das Virus macht die Kunst kaputt.“ Eine andere: „Man kann alles verkaufen.“

Wenn Logos beerdigt werden

So können die Zuschauer für 66 Euro als ein Teil der Performance eine Logobestattung käuflich erwerben. Am Ende der Show wird das Logo gemeinsam mit dem Publikum beerdigt, wiewohl der Käufer die Grabrede selbst halten und die Art der Bestattung bestimmen muss (zur Auswahl stehen etwa Feuer- und Erdbestattungen). Welche Art Logo soll denn sterben? „Alles ist möglich. Sie können das ,Presse‘-Logo beerdigen, wenn Sie wollen.“ (Das wollen wir bestimmt nicht.) Und wie ist dieser Logo-Tod zu verstehen? Ruder bezieht sich auf den Logo-Friedhof der Wirtschaft und somit auf die Kritik am Kapital, beginnend mit den Firmenzeichen von Coca-Cola und McDonalds bis hin zu den Logos der politischen Parteien.

Bei aller Kritik an den Auswüchsen von Kapital und Internet will Ruder das Positive nicht außer Acht lassen. Über FM4-Chats im Internet habe sie Wien für sich entdeckt, erzählt sie, als sie noch als Schülerin in Garmisch-Partenkirchen „festsaß“ und an der Provinz litt. Geboren in Heidelberg, zog ihre Familie mehrmals um, ehe sie in Finnland die Weite kennenlernte. Das Kulturmanagement-Studium brachte sie nach Freiburg und Holland, schließlich landete sie an der Angewandten und lernte Transmediale Kunst bei Brigitte Kowanz. Die Liebe zur Popkultur, mit der sie aufwuchs, habe Ruder nie abgelegt, erzählt sie. Vielmehr wolle sie diese Kultur weiterentwickeln. Es wird schräg bleiben.

ZUR PERSON

Barbis Ruder, geboren in Heidelberg, hat Transmediale Kunst an der Angewandten bei Brigitte Kowanz studiert. Mit „How to go viral“ bringt die 35-jährige Performance-Künstlerin die Figur Influenca auf die Bühne, die sie ab dem 5. April im Studio Brut (Zieglergasse 25, 1070 Wien) zeigen wird.

Jüngst hat Ruder ihre Performance „Barbis in Babeland“ im Wiener WUK gezeigt.

Die branchenkritische Performance zielt darauf ab, nach der Originalität in der Performance-Kultur zu suchen. www.barbisruder.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2019)

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