Der Vulkanausbruch beschleunigt Umsetzung des Single European Sky. Bisher scheiterte die Realisierung am Widerstand mancher Staaten, ihre nationale Lufthoheit aufzugeben.
Wien (eid). Der isländische Vulkan Eyjafjallajökull, der mit seiner Aschewolke den europäischen Flugverkehr tagelang lahmgelegt hat (am Freitag wurden erstmals auch die Flughäfen in Island geschlossen), könnte die Umsetzung eines einheitlichen europäischen Luftraumes (Single European Sky, SES) beschleunigen. Die EU hat den SES nach jahrelangen Diskussionen im Vorjahr beschlossen, ab 2012 soll er in Kraft treten. Bisher scheiterte die Realisierung am Widerstand mancher Staaten, ihre nationale Lufthoheit aufzugeben.
„Das Jahrhundertereignis hat die Schwachstellen in der europäischen Koordinierung des Luftraums deutlich gemacht“, sagte Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) am Freitag. So wie Österreich in den vergangenen Tagen mit der Schaffung eines Dreistufenplans zur Einschätzung der Gefährdung durch Vulkanasche zum europaweiten Vorreiter geworden ist, will Bures auch beim SES eine Vorbildrolle einnehmen.
Österreich soll mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina einen von neun Luftraumblöcken bilden. Den Vorsitz in dieser Gruppe führt Slowenien, am 1. Jänner 2011 übernimmt Österreich. „Wir wollen in den nächsten Tagen ein Treffen organisieren und den Druck erhöhen, um die Umsetzung zu beschleunigen“, kündigte Bures an.
Derzeit gleicht die Flugsicherung in Europa einem Fleckerlteppich. Es gibt 35 verschiedene Kontrollsysteme mit unterschiedlichen IT-Systemen und Funkfrequenzen. Außerdem beansprucht das Militär Luftraum für sich. Das bedeutet für die Fluglinien, dass ihre Maschinen im Zickzackkurs fliegen müssen und sich daher nur innerhalb bestimmter „Grenzen“ bewegen können.
Eine Milliarde Ersparnis
Auch wenn die Luftfahrt durch die Wirtschaftskrise einen gewaltigen Dämpfer erlitten hat, werde das europäische Flugverkehrsmanagement in den nächsten Jahren an seine Grenzen gelangen, sagte Austro-Control-Chef Heinz Sommerbauer. Ein einheitliches System, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden nicht neben-, sondern miteinander arbeiten und wichtige Aufgaben arbeitsteilig abgewickelt werden, soll mehr Sicherheit, mehr Effizienz und eine enorme Kostenersparnis bringen.
Nach Berechnungen der EU würde sich ein innereuropäischer Flug im Schnitt um 50 Kilometer oder bis zu 14 Minuten verkürzen. Eine Maschine bräuchte im Schnitt pro Flug 300 bis 500 Kilogramm weniger Kerosin, was einer Reduktion des CO2-Ausstoßes von 950 bis 1500 Kilogramm entspräche. Die EU schätzt die Ersparnis auf eine Milliarde Euro jährlich.
Rückenwind erhält Bures für ihre Bemühungen vom Austro-Control-Betriebsrat: Der Vorsitzende Norbert Payr wirft dem Management „schwere Versäumnisse“ vor, trotz vieler Arbeitsgruppen fehle ein Konzept. Jetzt soll um neun Millionen Euro ein Berater engagiert werden. Österreich laufe Gefahr, Schlusslicht zu werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2010)