Boeing: MCAS-Automatik sprang vier Mal vor Absturz in Äthiopien wieder an

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FILES-KENYA-ETHIOPIA-AIRPLANE-ACCIDENTAPA/AFP/MICHAEL TEWELDE
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Insidern zufolge bereitete die Software MCAS den Piloten der Unglücksmaschine massive Probleme. Der offizielle Untersuchungsbericht wurde noch nicht veröffentlicht.

Vor der Veröffentlichung eines ersten Untersuchungsberichts über die Ursache des Absturzes einer Boeing-Maschine in Äthiopien verdichten sich die Hinweise, dass das System zur Kontrolle des Aufstiegwinkels den Piloten Probleme bereitet hat. Die als Absturzursache vermutete Kontrollfunktion MCAS war vier Mal nach dem Abschalten durch die Flugzeugführer der Ethiopian-Airlines-Maschine aktiviert.

Das sagten zwei mit den Informationen zu dem Unglück vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Die Piloten hätten es wegen verdächtiger Daten eines Sensors abgestellt. Es sei der Crew gelungen, den Sturzflug zu unterbrechen, ehe die MCAS-Automatik kurz vor dem Absturz erneut einsetzte. Ein Insider ergänzte, es werde untersucht, ob die Software von selbst wieder angesprungen sei oder die Flugzeugführer es wieder aktivierten.

Boeing und die Unfallermittler wollten zur laufenden Untersuchung des Absturzes einer fast neuen Boeing 737 MAX vom 10. März keine Stellung nehmen. Der erste Bericht dazu soll diese Woche, aber nach Angaben des äthiopischen Verkehrsministeriums nicht mehr am Mittwoch veröffentlicht werden.

Das "Wall Street Journal" hatte unter Berufung auf Insider berichtet, die Ethiopian-Piloten hätten das System zum automatischen Absenken der Flugzeugnase deaktiviert und vergeblich versucht, die Maschine über das Handrad in der Mittelkonsole wieder nach oben zu ziehen. Doch dann hätten sie die Stromzufuhr wieder angestellt, um stattdessen einen Schalter zum Trimmen am Steuerknüppel zu benutzen. Durch das Trimmen kann der Pilot auf die Flugzeugruder einwirken, um die Maschine bei Turbulenzen wieder in eine stabile Lage zu bringen.

Österreicher unter den Toten

Die Katastrophe in Äthiopien, bei der 157 Menschen, darunter drei Österreicher, starben, war der zweite Absturz eines solchen neuen Flugzeugmodells kurz nach dem Start. Deshalb gilt seit Mitte März für die bisher ausgelieferten rund 370 Maschinen dieses Typs ein Flugverbot. Das MCAS wurde auch schon als Ursache des Absturzes der Lion-Air-737 im Oktober in Indonesien vermutet. Boeing und die US-Luftfahrtaufsicht FAA stehen in der Kritik, weil das MCAS-System zum automatischen Absenken der Flugzeugnase bei drohendem Strömungsabriss mutmaßlich nicht richtig funktionierte und Piloten nicht darüber aufgeklärt und geschult worden waren. Fest steht bisher, dass fehlerhafte Sensordaten an das MCAS beim Absturz der Lion-Air-Maschine eine Rolle spielten.

Boeing hatte nach dem Absturz in Indonesien eine Anleitung herausgegeben, wie das MCAS abgestellt wird. Eine Notfallrichtlinie der US-Behörde FAA folgte. Darin werden die Piloten angehalten, die Stromzufuhr über Schalter in der Mittelkonsole zu unterbrechen und während des gesamten Fluges aus zu lassen. Die FAA hatte schon vor mindestens drei Jahren Bedenken geäußert, dass die Korrekturmöglichkeit über einen elektronischen Schalter im Krisenfall zu schwach sei, wie aus einem Zulassungsdokument der europäischen Luftfahrtaufsicht EASA hervorging. Wie Reuters außerdem von einem 737-Piloten erfahren hatte, ist der im Notfall erforderliche manuelle Eingriff über das seit den 60er-Jahren bei Boeing verbaute Trimmrad nur mit größerem Kraftaufwand möglich.

Boeing will den vermuteten Defekt mit einem Software-Update beheben, das auf die kommenden Wochen verschoben wurde. US-Pilotenverbände hatten gefordert, der Flugzeugbauer solle für die zur Freigabe der 737 MAX notwendige Reparatur die Erkenntnisse aus dem Absturz in Äthiopien berücksichtigen.

(APA/Reuters)

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