BMW: Zur Begrüßung den Lichtteppich ausgerollt

Die klassische Limousine – und ja, auch der Dieselmotor – als Kulturleistung: neuer BMW 3er, hier als 320d x-Drive.
Die klassische Limousine – und ja, auch der Dieselmotor – als Kulturleistung: neuer BMW 3er, hier als 320d x-Drive.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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BMW zeigt sich mit dem neuen 3er wieder in großer Form, nicht nur bei den Abmessungen. Als 320d – kräftig, kultiviert, sparsam – stellt er auch einen Neustart in der Dieseldebatte dar.

Im rasenden Wechsel der Produktionszyklen und im Bann der vielen Umbruchsmenetekel gehen einstmalige Großereignisse der Autowelt fast unter – wie die Ankunft der neuen 3er-Generation.

Nun also mit Tusch vor den Vorhang: BMW 3er, die Siebte! Eine Baureihe, die in ihren über 40 Jahren auf dem Markt die Lebenslinie halbwegs autoaffiner Menschen doch das ein oder andre Mal berührt haben sollte. Zugegeben, heute klingt das schon schwer oldschool: Limousine! Dieselmotor! Doch der ungleich gefragtere Kombi des 3er ist schon am Start, ebenso wie die Plug-in-Hybrid-Variante, Ehrensache. Das Überraschendste aber: Alt fühlt sich trotzdem nix an. Für die Millennials unter uns (nicht nur die!) mag das Auto zu teuer sein, aber sie hätten ihre Freude dran: Auch als motorisiertes Smartphone bleibt der 3er nichts schuldig, und an speziellen Effekten für die Kurzweil mangelt es ebenfalls nicht.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Wachstumsschub

Der obligate Wachstumsschub ist deutlich ausgefallen, er treibt die Außenlänge erstmals über die 4,7-Meter-Marke (plus 76 mm), auf den Radstand entfielen 4,1 Zentimeter, was ihn auf stolze 2851 mm erhöht – einstmals der Wert der Mercedes-S-Klasse.

Dass man den überaus geräumigen Fond dennoch seltsam umständlich gewinnt, liegt am betont dynamischen Zuschnitt der Karosserie und wohl auch am generellen Fokus, der einfach nicht auf der Belegung der Hinterbank liegt. Wie jeder 3er versteht sich auch dieser als Fahrerauto.

Was heißt das? Dass es zunächst eine Freude ist, vor diesem Lenkrad zu residieren und den Blick über das Cockpit schweifen zu lassen. Autos werden ja zunehmend zum Erstkontakt mit hochwertigem Interieurdesign. Thema des 3ers: die hybride Oberfläche von digitaler und stofflicher Anmutung – bravourös gelöst, Raumschiff mit Hüttenwärme, die wenigsten können sich so zu Hause einrichten.

Dass die Beleuchtung schon beim Herannahen ans Auto heimelig erglimmt und mit LED-Leuchtquellen am Radkasten ein „Welcome Light Carpet“ vor der Tür ausgerollt wird – reine Effekte zwar, die ihre Wirkung aber nicht verfehlen. Im 3er kann man sich schnell zu Hause fühlen.

Was unter die Bedienung des Bordsystems mit Klima, Navi und Entertainment fällt, lässt sich auf die herkömmliche Weise angehen – Rädchen drehen, Knöpfchen drücken –, oder man spricht Kommandos, um Sitzheizung, Raumtemperatur, Navi-Ziele oder Radiosender aufzurufen. Ungewohnt, so man nicht allein im Auto ist, aber die sicherste Variante. Lautstärke einstellen, Anrufe annehmen und mehr kann man auch mit dem Zeigefinger – geht erstaunlich schnell in Fleisch und Blut über, mit der Gestensteuerung hat BMW früh auf ein Feature mit Zukunft gesetzt. Wie auch der Schlüssel als Mini-Smartphone mit Display.

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Drückt man den Startknopf, bricht erwartungsgemäß kein rustikales Geratter los, und das liegt nicht allein an der exzellenten Akustikdämmung in allen Lagen. Der Vierzylinder (190 PS, 400 Nm) ist als Diesel erkennbar, bemüht sich aber um Schnurrgeräusche. Erstmals hat man im BMW-Motorenwerk Steyr den 320d mit zweirädrigem Registerlader ausgerüstet – ist dies das Geheimnis des beglückend spontanen Ansprechens auf Eingaben am Gaspedal? Derlei ist ja selten geworden, selbst bei Autos mit diesen oder höheren Leistungsdaten. Vermutlich hat BMW das Gesamtsystem aus Turbo, Achtgang-Wandlerautomatik und SCR-Abgasreinigung einfach mustergültig abgestimmt. Wiewohl Steyr trotzdem unter Alchemieverdacht steht: So schön zieht der Vierzylinder aus allen Drehzahlen durch und über die Tourenskala nach oben, wohlklingend bei alldem, dass man feststellt: Das hat bislang kein anderer abgeliefert.

Erst recht gilt das im Eintausch mit Euro6-d-Temp-Konformität und den Verbrauchswerten: 6,4 Liter in einem nicht übermäßig sparwilligen Mix aus Stadt und Langstrecke, ein guter Anlass, die allgemeine Dieselschelte an dieser Stelle auszusetzen. Wer zügig auch längere Etappen zurücklegen will oder wem schlicht nicht der Sinn nach Elektro-Pfadfindertum mit Ladesäulen-Scouting steht, der findet keinen besseren Antrieb.

Niedlich, dass der 320d von Haus aus mit 40-Liter-Tank ausgerüstet ist. Bringt aber nur das Gewicht auf dem Papier runter. Mit optionalen 59 Litern eröffnen sich dagegen fast 1000 km Reichweite – beileibe keine Drohung in diesem Auto. Damit sind wir beim Fahrwerk und bedanken uns für die Normal- statt Sportvariante. Alles fühlt sich ausreichend straff und firm an, auf seine alten Tage darf es der 3er ruhig ein bisschen komfortabler geben. Günstiger eher nicht: Mit dem Grundpreis lässt einen BMW nicht davonkommen: mindestens 30, eher 40 Prozent nochmals extra, das ist nur realistisch.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

BMW 320d x-Drive

Maße. L/B/H: 4709/1827/1442 mm. Radstand: 2851 mm. Leergewicht: 1615 kg (EU). Kofferraumvolumen: 480 Liter.
Motor. R4-Zylinder-Turbodiesel, 1995 cm3. Leistung: max 140 kW (190 PS) bei 4000/min. Drehmoment: max. 400 Nm bei 1750–2500/min.
0–100 km/h in 6,9 sec. Vmax: 233 km/h,
Allradantrieb.
Achtgang-Automatikgetriebe.
SCR-Abgasreinigung (AdBlue).
Testverbrauch: 6,4 l/100 km.
Preis ab 46.900 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2019)

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