Erste offizielle Untersuchung des Crashs einer Boeing 737 MAX in Äthiopien bestätigt Verdacht eines Defekts im System zur Kontrolle des Anstellwinkels.
Die Ermittlungen zum Flugzeugabsturz in Äthiopien lassen den Druck auf Boeing weiter wachsen. Das äthiopische Verkehrsministerium stellte am Donnerstag Ergebnisse einer ersten Untersuchung vor und drängte den US-Hersteller zur Überprüfung der Flugkontrollsysteme der Jets vom Modell Boeing 737 MAX.
Die Piloten der vor Kurzem abgestürzten Maschine hätten sich strikt an die Boeing-Vorschriften gehalten, als es kurz nach dem Start Probleme mit der Flugstabilität gab, hieß es. Aber sie waren dennoch nicht imstande, das Flugzeug, dessen Nase nach unten gierte, unter Kontrolle zu bringen. Alle 157 Menschen an Bord starben, darunter drei Österreicher. Wie bei Luftfahrtunfällen üblich gab es in dem vorläufigen Bericht, der heute publiziert wird, keine direkten Schuldzuweisungen. Allerdings steht fest, dass es um von Boeing zu vertretende Probleme mit der elektronischen Fluglageregelung geht. Ähnliche Probleme hatte es im Oktober gegeben, als eine indonesische Boeing 737 MAX ins Meer gestürzt war. Der Flugzeugtyp hat inzwischen weltweit Startverbot.
MCAS-System im Visier
Die Problemquelle ist das MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation) genannte System zur Kontrolle des Aufstiegwinkels. Die vergrößerten und weiter nach vorn versetzten Triebwerke des US-französischen Herstellers CFM für die MAX-Version machen bei hohen Anstellwinkeln, wie sie etwa bei Starts üblich sind, dermaßen viel Auftrieb, dass der Flieger noch steiler nach oben gedrückt wird und im Prinzip ein Strömungsabriss an den Tragflächen droht. Bevor das passiert, setzt MCAS ein: Es aktiviert die Trimmruder an den Höhenrudern am Heck des Flugzeugs, sodass die Flugzeugnase künstlich nach unten gedrückt wird. Das MCAS soll bei beiden Unglücksfällen vom Sensor, der den Anstellwinkel misst, falsche Werte erhalten und folglich unnötigerweise gegengesteuert haben.
Die äthiopischen Piloten haben Berichten zufolge das MCAS viermal ausgeschaltet, um manuell zu fliegen und die Trimmung selbst vorzunehmen. Das System habe sich aber jedes Mal wieder von selbst aktiviert, bis die Maschine letztlich ganz außer Kontrolle geriet.
Nach der Veröffentlichung erster Ermittlungsergebnisse hat Boeing allerdings einen weiteren Softwarefehler im Flugzeugtyp 737 MAX eingeräumt. Es handle sich um ein "Element der Software, das korrigiert werden muss", sagte am Donnerstag ein Sprecher des Flugzeugbauers. Es bestehe keinerlei Verbindung zum Trimmsystem MCAS, versicherte der Sprecher. Boeing habe bereits "die Lösung" gefunden.
(ag./wg)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2019)