Arbeitsmigration: Wenn die Guten ihre Länder verlassen

In den vergangenen zehn Jahren hat die Arbeitsmigration in der EU um die Hälfte zugenommen, so die Experten des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel.
In den vergangenen zehn Jahren hat die Arbeitsmigration in der EU um die Hälfte zugenommen, so die Experten des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Eine Studie sieht die Arbeitnehmerfreizügigkeit durchaus kritisch. In Österreich kommen manche Branchen nicht ohne Arbeitsmigranten aus.

Wien. Zunächst einmal gilt sie als Errungenschaft: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie erlaubt, dass sich EU-Bürger unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft in jedem anderen Mitgliedsland der Union zum Arbeiten niederlassen. Mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die Staatsangehörigen. Eine aktuelle Studie geht mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit kritisch ins Gericht. Betroffen von der Abwanderung sind vor allem die östlichen EU-Länder, in denen man wesentlich schlechter verdient als im Westen. Es gehen Hochqualifizierte wie Wissenschaftler und Ärzte, denen in wohlhabenden Ländern höhere Löhne winken. Aber auch weniger gut Ausgebildete verlassen die Heimat und helfen in Niedriglohnbranchen aus: Im österreichischen Tourismus ist etwa jede zweite Stelle mit einem Ausländer besetzt. Weil sich für viele Jobs keine Österreicher finden.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Arbeitsmigration in der EU um die Hälfte zugenommen, so die Experten des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Das habe einerseits einen signifikanten Beitrag für das Wirtschaftswachstum in den Gastländern gebracht, und es nütze auch jenen, die zu Hause bleiben. Aber im Entsendeland trage die Migration von Hochqualifizierten (Brain-Drain) auch zu einer „unverhältnismäßig hohen negativen Auswirkung auf die Produktivität und Wirtschaftsleistung“ bei. Und sie führe zur Aushöhlung des Steueraufkommens im Ursprungsland.

Leer gefegte Arbeitsmärkte im Osten

Die Studie sieht auch Gutes. Ausgewanderte Arbeiter überweisen oft Geld nach Hause, was die Wirtschaft stärkt. Außerdem bedeute eine kleiner werdende Bevölkerung auch Einsparungen bei den Ausgaben, und einige der mobilen Arbeitnehmer wären möglicherweise arbeitslos gewesen, wären sie in ihrem Heimatland geblieben. Die Arbeitsmärkte einiger osteuropäischer Länder sind bereits leer gefegt. Zum Beispiel in Tschechien, das mit 1,9 Prozent die mit Abstand niedrigste Arbeitslosenquote in der EU hat. Die Kehrseite ist der Fachkräftemangel, der die Firmen zunehmend belastet. (AG/HIE)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2019)

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