Misstrauen gegenüber Österreichs Geheimdiensten hat Tradition

Ein Terrorismusforscher beschreibt, warum ausländische Dienste nur ungern ihr Wissen mit Wiener Stellen teilen.

Peter Gridling hat es vergangene Woche bei einem Auftritt vor dem Handelsgericht Wien bestätigt: Die Beschlagnahme einer Festplatte während der unrühmlichen Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Februar 2018 hat bei den ausländischen Partnerdiensten für beträchtliche Irritationen gesorgt. Denn auf dieser Festplatte waren ausschließlich Daten gespeichert, die ausländische Nachrichtendienste dem BVT übermittelt hatten. Was der BVT-Direktor nicht sagte, was aber ausländische Diplomaten in Wien berichten: Die Aufregung der Partner rührte vor allem auch daher, dass die BVT-Mitarbeiter diese Festplatte nicht mit allen erlaubten Mitteln gegen die durchsuchende Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität „verteidigt“ hatten, sondern sie widerstandslos herausgaben. „Damit haben sie ein heiliges Gebot von Nachrichtendienstlern, geheime Informationen und Informationsquellen zu schützen, gebrochen“, erläutert ein Diplomat der „Presse“

Tatsache ist, auch das bestätigte Gridling, dass seither der Informationsaustausch des BVT mit ausländischen Diensten eingeschränkt ist. Schon länger war davon die Rede, dass einige ausländische Sicherheitsdienste Russland-relevante Informationen nur sehr restriktiv an Wien weitergaben. Jetzt verstärkt noch das Naheverhältnis der FPÖ und ihres Innenministers Herbert Kickl zu den rechtsextremen Identitären das Misstrauen ausländischer Partner.

Nur, diese Zurückhaltung in der Zusammenarbeit mit Wien ist nichts Neues: Schon seit Jahrzehnten herrscht latentes Misstrauen ausländischer Dienste gegenüber österreichischen Sicherheitsbehörden, „zu oft sind sensible Informationen nach deren Weitergabe an Wiener Stellen durchgesickert“, schreibt Thomas Riegler. In der neuesten Nummer des Grazer „Journals für Geheimdienst-, Propaganda- und Sicherheitsstudien“ (JIPSS) wirft der unermüdliche Terrorismusforscher einen Blick auf „Österreichs Nachrichtendienste und den Spionageplatz Wien“ seit Beginn des Kalten Kriegs.

Ein paar Zahlen aus seinem Essay: Während der Besatzungszeit (1945–1955) schätzte die US-Spionageabwehr, dass unter 1000 österreichischen Zivilisten zwei direkt oder indirekt mit sowjetischen Diensten in Kontakt standen. Nach Angaben des früheren Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, reichte das Agentennetz des KGB in Österreich „praktisch in alle Felder von Politik, Wissenschaft, Behörden, Medien und Gesellschaft“. Riegler schreibt auch, dass rund die Hälfte der in Wien akkreditierten 17.000 Diplomaten Geheimdienstverbindungen unterhielten.

Genauso aber, wie die westlichen Dienste den österreichischen Sicherheitsbehörden wegen zu vieler Lecks in Richtung Ostblock misstrauten, genauso misstrauten die Geheimdienste der Warschauer Paktstaaten den österreichischen Diensten wegen zu großer Nähe zum Westen. Riegler hat dazu Lagebeurteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ausgewertet.

Auch Riegler beklagt die viel zu restriktive Informationspolitik der österreichischen Dienste. BVT, Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt seien wie eine „black box“. Historische Unterlagen würden weggesperrt, Ministerien kämen ihren Abgabepflichten für Dokumente nicht nach, parlamentarische Anfragen zur Finanzierung würden ignoriert. Dabei, meint Riegler, müsste „in Zeiten knapper werdender Budgets der Druck wachsen, nachvollziehbar darzulegen, was diese drei Dienste eigentlich leisten“.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2019)

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