Sozialhilfe: Hartinger-Klein plant keine neuen Schritte, Strache kritisiert Wien

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Nach dem kontroversen Gespräch mit den Landesräten am Montag will die Sozialministerin ein Experten-Hearing im Parlament abwarten. Die SPÖ ruft zu Widerstand auf - das Land Vorarlberg leistet vorerst keinen.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) plant nach dem kontroversen Gespräch mit den Soziallandesräten am Montag keine weiteren Handlungen. Der nächste Schritt sei das Experten-Hearing im Parlament. Danach werde man sich noch ein paar Punkt anschauen, hieß es aus ihrem Büro am Dienstag.

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Die SPÖ-Vertreter hatten sich nach der Verhandlungsrunde mit Hartinger-Klein am Montagnachmittag schwer enttäuscht gezeigt und heftige Kritik geübt. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach nach dem Treffen gar von "demonstrativer Ignoranz" und "Kaltherzigkeit" der Regierungsseite. Hartinger-Klein sprach ihrerseits von "unglaublichen Fehlinterpretationen", die jeglicher Grundlage entbehren würden und "nur zur bewussten Verunsicherung der Bevölkerung" dienten.

SPÖ-Sozialsprecher appelliert an Abgeordnete

Vizekanzler und Beamtenminister Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprang seiner Ministerin am Dienstag zur Seite. Er verteidigte den Rückbau der bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Sozialhilfe - und konzentrierte seine Kritik auf Wien: "Ich verstehe, dass das rot-grüne Wien die Massenzuwanderung tschetschenischer Großfamilien weiter fördern will", sagte er bei einem Medientermin. Die Regierung wolle aber die "Zuwanderung in das Sozialsystem" beenden, meinte der FPÖ-Chef. Nun gebe es eine Neuregelung, die auch mehr für Alleinerziehende, Pflegebedürftige und Behinderte bringe.

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Die SPÖ rief indes die Nationalratsabgeordneten aller Fraktionen dazu auf, der Reform der Mindestsicherung nicht zuzustimmen. Sozialsprecher Josef Muchitsch verwies in einer Aussendung am Dienstag unter anderem auf die "massiven Kürzungen" bei Kindern. "Wie kann man nur so hartherzig und kalt sein? Denken Sie bis zur Beschlussfassung im Sozialausschuss am Montag nochmal drüber nach, ob Sie die Armut im Land derart verschärfen wollen", forderte Muchitsch. Er appellierte an die Abgeordneten, "ihre soziale Verantwortung als gewählte MandatarInnen wahrzunehmen und nicht bei diesem 'Armutsverschärfungsgesetz' mitzustimmen".

Vorarlberg geht nicht zum VfGH

Widerstand gegen die neue Sozialhilfe gab es zuletzt auch von Länderseite. Das von ÖVP und Grünen regierte Land Vorarlberg aber kündigte am Dienstag an, in Sachen Mindestsicherung nicht vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) ziehen. Er gehe davon aus, dass das vom Bund erarbeitete Gesetz verfassungskonform sein werde, betonte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Dienstag. Darüber hinaus riet Wallner zu "Ruhe": Es bleibe noch genügend Zeit, sich mit dem Gesetz auseinanderzusetzen.

Wallner unterstrich gleichzeitig, dass das Mindestsicherungsgesetz in seinen Augen "in die richtige Richtung" weise. Im Kern gehe es darum, dass ein durch die Mindestsicherung erzieltes Familieneinkommen "im Verhältnis" zu einem Arbeitskommen stehen müsse. Von daher seien die beabsichtigten Kürzungen bei kinderreichen Familien "ein Vorgang, den man befürworten muss". Er verwies auch darauf, dass die wesentlichen Wünsche Vorarlbergs - etwa die Möglichkeit eines Zuschusses bei den Wohnkosten - im Gesetz berücksichtigt worden seien.

Die Vorarlberger Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) hatte am Montag nach dem Treffen mit der zuständigen Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) das Vorgehen der Bundesregierung scharf kritisiert und betont, dass es mehr Spielraum in der Länderkompetenz brauche. In einem ORF-Interview ging sie davon aus, dass Wien oder der Bundesrat sich "wegen Kompetenzüberschreitungen des Bundes" an den VfGH wenden könnten.

Abwarten in Tirol

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat sich in Sachen Reform der Mindestsicherung weiter abwartend gezeigt. Man werde die geplante Regelung weiter im Detail analysieren und "genau schauen", wo eine entsprechende "Flexibilität" gegeben sei. "Wir stellen uns so auf, dass wir ein tragfähiges Modell haben werden", sagte Platter bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung.

Als positiv strich Platter einmal mehr hervor, dass bei den Wohnkosten eine Flexibilität von 30 Prozent erreicht worden sei. Der Landeshauptmann hatte eine entsprechende Flexibilität bei den Wohn- und Sachkosten in der Begutachtung urgiert und darauf gepocht, dass den "regionalen Unterschieden Rechnung getragen" werde.

Scharf ins Gericht mit Türkis-Blau ging hingegen der grüne Koalitionspartner. Sie habe darauf hingewiesen, dass in Tirol vor allem bei Alleinerziehern mit der neuen Regelung die Armutsgefährdung steige, zeigte sich Fischer gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" nach dem Gespräch der Soziallandesräte mit Hartinger-Klein (FPÖ) am Montag verärgert. Auch ihr Einwand, dass den 700 in Tirol lebenden subsidiär Schutzbedürftigen die Obdachlosigkeit drohe, sei von der Ministerin zurückgewiesen worden.

(APA/Red.)

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