Türkis-Blau präsentiert "deutlichen Schlag gegen Neonaziszene"

PK ZU HAUSDURCHSUCHUNGEN IN DER RECHTSRADIKALEN SZENE: PILNACEK / GOLDGRUBER
PK ZU HAUSDURCHSUCHUNGEN IN DER RECHTSRADIKALEN SZENE: PILNACEK / GOLDGRUBERAPA/HELMUT FOHRINGER
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In allen Bundesländern - außer in Tirol - fanden Razzien in der rechtsradikalen Szene statt. „Einschlägiges Material“ wurde sichergestellt, „eindrucksvolle Bilder“ gemacht, festgenommen wurde niemand. Der Hintergrund: ein Konzert in der Steiermark.

Kurz nach 14 Uhr am Dienstag wurde die Meldung publik: In ganz Österreich soll es in den frühen Morgenstunden zu zahlreichen Hausdurchsuchungen in der rechtsradikalen Szene gekommen sein. Im gleichen Atemzug wurde zu einer Pressekonferenz geladen. Kurz nach 15 Uhr war es dann soweit: Die Generalsekretäre des Justiz- und des Innenministeriums, Christian Pilnacek und Peter Goldgruber, traten vor die Medien. Ihre Botschaft: Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ressorts funktioniere hervorragend, man gehe aktiv und mit voller Schlagkraft gegen die Neonazi-Szene vor und habe auch „eindrucksvolle Bilder“ von dem Einsatz.

Ausgangspunkt der Aktion sei ein Konzert im neonazistischen Milieu im März 2018 gewesen, schilderte Pilnacek. Es habe sich „im steirischen Raum“ in der Nähe von Leoben abgespielt. Seither habe man nach dem Verbotsgesetz ermittelt. Am Dienstag sei es dann in der Früh zu 32 Hausdurchsuchungen in allen Bundesländern mit Ausnahme von Tirol gekommen – festgenommen wurde dabei niemand. Einige weitere Razzien seien noch im Gang.

Die 217 im Einsatz befindlichen Beamten hätten „sehr viel einschlägiges Material“, darunter auch Waffen, sichergestellt, ergänzte Goldgruber - etwa Handgranaten oder Wurfsterne. Auch Tonträger, Videomaterial und andere Datenträger, die nun ausgewertet werden sollen, wurden beschlagnahmt.

Vorläufige Waffenverbote wurden ausgesprochen. Das alles, so Goldgruber, zeige, „dass ein deutlicher Schlag gegen die Neonaziszene gelungen ist“. Außerdem habe das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das zuletzt massiv in die Kritik geraten war, „exzellent“ mit dem steirischen Landesamt für Verfassungsschutz und der Staatsanwaltschaft Leoben zusammengearbeitet, so Pilnacek. Und: Man habe für die Medienvertreter auch „eindrucksvolles“ Bildmaterial – eingeblendet wurden daraufhin Fotografien von Waffen sowie „eine eindrucksvolle Tätowierung“ auf dem Rücken eines Mannes.

Auf eine Frage, weshalb die Pressekonferenz gerade heute stattfinde – an einem Tag bzw. in einer Zeit, in der sehr viel über die Identitären-Bewegung berichtet werde – gab sich Pilnacek kritisch: Man könne eine Hausdurchsuchung „nicht nach politischer Beliebigkeit steuern“, immerhin bedürfe es hier zahlreicher Ermittlungsarbeiten und Genehmigungen.

"Dauerkrankenstand“ eines Staatsanwaltes

Zeitgleich zur Pressekonferenz teilte die Staatsanwaltschaft Leoben mit, dass sie seit Anfang 2018 „ein Ermittlungsverfahren gegen mittlerweile rund 90 Beschuldigte wegen des Verdachts der Verbrechen nach dem Verbotsgesetz“ führt. Als „Grund für die längere Anhängigkeitsdauer“ wurden in der Aussendung einerseits die „sehr aufwendigen Ermittlungen“ angeführt, andererseits „auch der Umstand, dass mit der Bearbeitung des Falls ein mittlerweile im Dauerkrankenstand befindlicher Staatsanwalt befasst war“.

Rechtsextremismus in Österreich

2018 wurden 1600 Anzeigen und über 1000 rechtsextreme Tathandlungen in Österreich gezählt. Fast 900 der Anzeigen waren nach dem Verbotsgesetz.

Das geht aus einer Anfrage des grünen Bundesrats David Stögmüller an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor. Laut Innenministerium kam es 2018 in ganz Österreich zu 1075 rechtsextremen Tathandlungen, also Straftaten, denen die Behörden tatsächlich nachgingen, davon waren die meisten, nämlich 732, generell als rechtsextrem einzustufen, 236 als fremdenfeindlich oder rassistisch, 49 Taten als antisemitisch, 22 als "islamophob" und 36 entsprangen sonstigen Motivlagen.

Aufgrund dieser Tathandlungen kam es zu 1622 Anzeigen, die meisten davon, nämlich 877 nach dem Verbotsgesetz. Weitere 280 wurden wegen des Verdachtes der Verhetzung (Paragraf 283, hier fallen auch antisemitische und "islamophobe" Taten hinein) eingebracht. Im Zusammenhang mit den aufgeklärten Tathandlungen wurden im Vorjahr 797 Personen angezeigt, davon 704 Männer und 93 Frauen.

Im Bundesländervergleich lag Wien mit 205 Tathandlungen an der Spitze, gefolgt von Niederösterreich mit 202 und Oberösterreich mit 185.

Im Vergleich zum Jahr 2017 bedeutete das bei den Anzeigen einen leichten Anstieg. Damals wurden 1576 Anzeigen gezählt.

(hell)

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