Ausstellung

Arik Brauer, der Fantast aus Leidenschaft

Überlebten beide als Kinder in Wien das NS-Regime: Arik Brauer (l.) mit Hundertwasser, circa 1963.
Überlebten beide als Kinder in Wien das NS-Regime: Arik Brauer (l.) mit Hundertwasser, circa 1963.(C) Arik Brauer
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Zum 90. Geburtstag wird in Wien im Jüdischen Museum ein österreichisches Multitalent gefeiert – mit einer großen Werkschau.

Die Direktorin schwärmt bei der Präsentation der Ausstellung: „Es gibt wenige Künstler, die so sehr ins Jüdische Museum Wien passen wie Arik Brauer.“ Danielle Spera zählt die Talente dieses Mannes auf, der am 4. Jänner den 90. Geburtstag gefeiert hat: Malerei, Keramik, Musik, Tanz, Bühnenbild, Architektur, . . . Sein Leben werde hier nachgezeichnet. Brauer, Mitgründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, schwarz gekleidet und mit Hut, strahlt. Er lobt „die Intelligenz und das Einfühlungsvermögen“ der beiden Kuratorinnen (Spera und Daniela Pscheiden), ihre Professionalität. Es folgt eine Galanterie: Was sei denn schöner, als der eigenen Geschichte in einer von zwei Frauen gestalteten Ausstellung zu begegnen, die sich offensichtlich in ihn verliebt hätten?

„Die Presse“ fragt nach: Was habe denn seine Familie zu diesem Projekt gesagt? Sein Vater, seine Mutter hätten sich sehr gefreut, wenn sie das erlebt hätten. Und selbst seine Frau, die seinen Arbeiten oft kritisch gegenüberstehe, sei von der Ausstellung berauscht, ja beglückt. Die Personale „Arik Brauer. Alle meine Künste“ ist in der Tat eine höchst persönliche Geschichte. Die Liebe zu seinen Nächsten spürt man aus vielen Zeugnissen heraus – zu Ehefrau Naomi, Tochter frommer Juden jemenitischer Herkunft, mit der er seit 1957 verheiratet ist. Zu den drei Töchtern. Wichtige Stationen neben Wien: Israel, wo sich die Brauers kennengelernt und ein Haus nahe von Haifa haben, sowie Paris, wo sie von 1958 bis 1964 gelebt haben.

Der Vater wurde im KZ ermordet

Durch die Geschichte der Eltern wird man in die Welt von gestern versetzt. Naomis Vater hat Theodor Herzl, den Vater des Zionismus, bei dessen erster Reise durch Palästina geführt. Ariks Vater war ein orthopädischer Schuhmachermeister. Sohn Erich (der sich erst später Arik nannte) war ein aufgeweckter jüdischer Gassenbub in Ottakring mit wachem Blick, sportlichem Talent und dem unbändigen Drang zu malen. Der Vater entkam den Nazis 1939 knapp, nach Lettland, wollte die Familie nachholen. Dazu kam es nicht: Simon Brauer wurde im KZ ermordet. Ehefrau Hermine, Tochter Lena und Sohn Arik überlebten in Wien. Er versteckte sich bis Kriegsende in einem Schrebergarten.

Bald dominiert die Malerei. Brauer, der auch eine Gesangsausbildung machte und professioneller Balletttänzer war, mit seiner Schwester Lena und auch mit Naomi auftrat, studierte an der Akademie der bildenden Künste, in der Meisterklasse von Albert Paris Gütersloh. Der Surrealismus und alte Meister wie Bruegel und Bosch waren Leitbilder. Mit Kollegen wie dem engen Freund Ernst Fuchs, mit Wolfgang Hutter, Rudolf Hausner und Anton Lehmden bildete Brauer einen Kontrast zur damals vorherrschenden abstrakten Kunst, dann auch zum Aktionismus. Da gab es harte Bandagen. Ihre Gruppe aber war im Erfolg nicht aufzuhalten.

Die Leuchtkraft der großen Gemälde

Ein zentraler Raum in der Ausstellung ist großen, surreal-grotesken Gemälden gewidmet. Hier dominiert das Rot. Raffinierter Einsatz des Lichts lässt diese farbenprächtigen Bilder zur Geltung kommen, fast überirdisch leuchten. Immer wieder taucht Brauer tief in die Geschichte ein, in das dunkle 20. Jahrhundert und weit zurück in biblische Zeit. Mehrfach sind Porträts seiner Muse Naomi zu sehen, der Vater, die Mutter und andere Familienmitglieder. Brauer erzählt in den Bildern: „Milch und Honig“, „Kain und Abel“, „Israel tanzt“. Ein besonderes Objekt ist ein Schaukelpferd, das er aus einem Holzbalken des im Novemberpogrom verbrannten Leopoldstädter Tempels geschnitzt hat. Es gehört inzwischen der Enkelin Naomi.

Auf Fotos posiert der Künstler meist verschmitzt. Wie schlagfertig er ist, zeigt sich in Interviews auf Video. 90 Jahre sind eine lange Spanne, hier sind sie vital erfüllt: Brauer, der Sänger am Ursprung des Austropop. Der Bühnenbildner („Medea“ an der Staatsoper). Der TV-Moderator (mit Tochter Timna). Der Gestalter von Wohnprojekten. Der Buchautor (zuletzt: „A Jud und keck a no“). Der Schauspieler (im Rabenhof). Ein Hochzeitsbild hat er kurz vor der Eröffnung eigens für die Schau vollendet. Passiv, pessimistisch kann man sich diesen Mann nicht vorstellen. Und irgendwo steht diskret: „120 Jahre!“

Bis 20.10.2019 ist „Arik Brauer. Alle meine Künste“ im Jüdischen Museum zu sehen: 1010 Wien, Dorotheergasse11, Sonntag–Freitag: von zehn bis 18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2019)

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