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Rapperin Ebow: Ihre Kultur ist kein Accessoire!

Ebow, hier zu sehen in der U-Bahn-Station Hermannplatz im Berliner Bezirk Neukölln. Derzeit hat sie, in München geborene Alevitin und Kurdin, ihre Homebase eher in Wien.
Ebow, hier zu sehen in der U-Bahn-Station Hermannplatz im Berliner Bezirk Neukölln. Derzeit hat sie, in München geborene Alevitin und Kurdin, ihre Homebase eher in Wien. (C) Seayourecords
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Auf „K4L“ wehrt sich die Rapperin Ebru Düzgün alias Ebow gegen kulturelle Vereinnahmung, propagiert migrantisches Selbstbewusstsein und wettert gegen Alltagsrassismus.

„Kanak for life, Kanak for life.“ Immer wieder wiederholt die deutsch-türkische Rapperin Ebru Düzgün alias Ebow die Zeile, zuerst im Flüsterton, dann mit kräftiger Stimme, zu harten Beats und hypnotisch flirrenden Synthesizerklängen. Die Zeile stammt aus „K4L“, kurz für „Kanak for Life“, dem fesselnden Titelstück ihres dritten Albums. Sie beschreibt darin, wie es sich anfühlt, als Kind einer Einwandererfamile sein Leben lang einen Stempel zu tragen. „In mir drin stecken Tausende Leben, Tausende Leben, hab Flure geputzt, Häuser gebaut, wurde ausgenutzt, wurde ausgesaugt, ihr habt nie an mich geglaubt, ich war immer, was ihr braucht“, rappt sie über Diskriminierungserfahrungen mehrerer Generationen. Sie knüpft damit an ältere Stücke wie „Asyl“ an: Die Polemik darüber, dass sich der Wert eines Menschen an seinem Pass und Aufenthaltsstatus bemisst, ließ aufhorchen. Und machte sie zu einem Lichtblick im deutschsprachigen Rap.

Auf „K4L“ feiert die 1990 in München geborene, zwischen Wien und Berlin pendelnde Künstlerin nun ihre erweiterten Familien: ihre kurdischen Vorfahren, die als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, queere und migrantische Communitys, Rapperinnen in einem männlich dominierten Genre. Ebow fasst das Gefühl, nicht dazuzugehören, in meist zornige Songs. Und beschwört Selbstbewusstsein und Zusammenhalt. „Wenn es sein muss, geh ich für uns alle drauf, tausche meine Angst gegen Liebe und lauf, lauf“, singt sie zum Herzschlagbeat von „Butterflies“. Die bald verträumt leiernden, bald surrealen Geistersounds, die diese Hymne auf queere Liebe so eindringlich machen, prägen das gesamte Album.

Ihre Communitys lässt Ebow in Skits (Zwischenstücken) zu Wort kommen, etwa einen Cousin, der das Album mit einem Gedicht im kurdischen Dialekt Zazaki eröffnet. Ein Stilmittel, das zuletzt auch afroamerikanische Künstler wie Solange oder Blood Orange genutzt haben. Wie diese will Ebow Marginalisierte ermächtigen. Und ihre Kultur vor der Vereinnahmung durch die Mehrheitsgesellschaft schützen. „Ihr begehrt uns, aber ihr respektiert uns nicht“, sagt die deutsch-iranische Autorin Hengameh Yaghoobifarah in einem Skit. „Wir tragen diesen Look mit Stolz, aber auch mit Stigma. Für euch ist es ein Trend, den ihr bald wieder ablegen könnt.“ Im minimalistischen, von Bass durchfluteten „Amk“ (kurz für den türkischen Fluch „Amina koyim“) stellt Ebow darauf klar: „Mach nicht auf Kanake, Junge!“

Wie bei den „zu vielen weißen, reichen Jungs im Rap“, über die sie in „Amk“ spottet, geht es bei Ebow freilich auch um den Rausch. Xanax und andere im Hip-Hop oft propagierte Drogen lehnt sie ab: „Pop keine Xany, nur 4.20“, rappt sie im verhuschten „4.20“ (nach einem Cannabis-Codewort). Doch das schönste Hoch erfährt Ebow mit einem begehrenswerten Menschen. „Willst du denn nicht wissen, wie weich mein Kissen sich anfühlt? Willst du denn nicht wissen, wie mich zu küssen sich anfühlt?“, fragt Ebow im extrasoften „High“. Und fährt fort: "Weil ich mit dir das High mag, dass du mir gibst, wenn du hi sagst."

In der Schlussnummer „Schmeck mein Blut“ bündelt sie noch einmal alle Kraft, allen Zorn: „Schmeck mein Blut, jeden Tropfen meiner Wut, ertrink in meiner Flut.“ Programmatischer Abschluss eines Albums, das dem Deutsch-Rap eine dringend nötige politische und feministische Stimme gibt.

Ebow: „K4L“
Ebow: „K4L“(c) Problembär Records

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2019)

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