Digitales Vermummungsverbot ein "Zensurgesetz"

APA/dpa/Sebastian Gollnow
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"Die rechtsstaatlichen Prinzipien müssen auch im digitalen Raum gelten", erklärt Gernot Blümel im Anschluss des Ministerrats. Das in die Begutachtung geschickte Gesetz stößt aber auf Kritik. Sigi Maurer sieht sich und ihren Fall für ein „Zensurgesetz missbraucht".

Die Regierung schickt ein Gesetz in die Begutachtung, das mit der Registrierungspflicht schrittweise die Anonymität im Netz abschaffen soll. Argumentiert wird dieser Schritt  mit dem Kampf gegen Hasspostings. Das Internet soll nicht länger ein rechtsfreier Raum sein, so die Argumentation von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP). Kritiker befürchten, dass damit ein Schritt in die Totalüberwachung gesetzt wird. Das Gesetz schieße am Ziel vorbei, ist die SPÖ überzeugt: „Generell ist das Hauptproblem im Kampf gegen "Hass im Netz" nicht die vermeintliche Anonymität". Der Justiz mangle es nach wie vor an den „notwendigen Mitteln zur Strafverfolgung".

"Vor 20 Jahren war das Internet noch faktisch Neuland. Mittlerweile kann man das so eindeutig nicht mehr sagen. Die rechtsstaatlichen Prinzipien müssen auch im digitalen Raum gelten. Hier gibt es Nachholbedarf", erklärt Blümel im Anschluss an den Ministerrat vor den anwesenden Journalisten. "Grundprinzipien, die in der analogen Welt gelten, müssen auch im digitalen Raum gelten. Deswegen gibt es eine Fülle an Beschlüssen, um das zu korrigieren“ sagt der Medienminister und nennt das „Digitale Vermummungsverbot“ als nächsten Schritt. Alles was auf der Straße verboten sei, müsse auch im Netz verboten sein. Die Identifizierbarkeit muss möglich gemacht werden.

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Zeitungen, aber auch Plattformen wie Facebook sollen verpflichtet werden, Namen und Adressen ihrer Nutzer zu speichern. Postings können damit zwar weiterhin unter Pseudonym (Nicknames) verfasst werden, die Behörden sollen bei Bedarf aber auf die Identität der Nutzer zugreifen können.

Der gewählte Schritt sorgt für Kritik aus den Reihen von Datenschutzexperten und der Opposition. Dabei bezieht man sich auf das Beispiel Südkorea. Dort wurde ein ähnliches Gesetz eingeführt. An der Zahl der Hasspostings hat es nichts geändert. Die von Nutzern gespeicherten Daten (Namen, Adressen, Telefonnummern) konnten aber auf Servern von Online-Medien abgegriffen werden. Es gelangten somit Informationen von Millionen von südkoreanischen Nutzern in die Hände unbekannter Angreifer.

Die Registrierungspflicht gilt nicht für alle

Medienminister Blümel erklärte am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal", das Gesetz soll ab 2020 für alle Online-Plattformen gelten, die entweder 100.000 User, oder 500.000 Euro Jahresumsatz haben oder die über 50.000 Euro Presseförderung beziehen. Damit würde es - Beschluss im Herbst vorausgesetzt - also für die österreichischen Tageszeitungen gelten, aber auch für Plattformen wie Facebook und Twitter. „Wenn das Gericht nachfragt, muss nachvollziehbar sein, wer das ist", fasst Blümel die Registrierungspflicht zusammen.

Nicht betroffen wären kleinere Medien, darunter auch FP-nahe wie "Unzensuriert.at". „Die Kriterien sind für alle gleich, man habe aber auch festgelegt, dass eine gewisse Relevanz gelten müsse", erklärt Blümel auf Anfrage, warum diese Plattform ausgeschlossen sei. Dabei betonte er auch, dass man vor allem Startup-Gründungen nicht ausbremsen wolle, damit die Startup-Community nicht mit Eintrittsbarrieren konfrontiert wird.

"Wir haben - gemessen am internationalen Vergleich - unsere Kriterien streng angesetzt", erklärt Blümel auf die Frage, warum "Unzensuriert.at“ oder „Kontrast.at“ als Startups gewertet werden.

Für große Plattformen muss es einen Zustellungsbevollmächtigen geben. Dies wurde im Gesetz nun verankert. Dabei handelt es sich um eine Person, an die sich Gerichte, Behörden und Privatpersonen wenden können. Damit soll verhindert werden, dass Anfragen auf Herausgabe von Nutzerinformationen versanden. Bislang haben US-Unternehmen wie Facebook, Twitter und Google nur schwerfällig oder gar nicht auf derartige Anfragen reagiert. Ohne sei es schwierig gewesen, diese Plattformen wie Facebook verantwortlich zu machen. „In Deutschland gibt es das auch schon, also gehen wir davon aus, dass auch unser Gesetz bei der EU-Kommission notifiziert wird", sagt Blümel.

Bestehende Forenmitglieder müssen ebenfalls registriert werden

"Es wäre nutzlos, wenn das neue Gesetz nicht auch bereits für bestehende Forenmitglieder gelten würde", erklärt Blümel auf Anfrage. Dafür soll es aber Übergangsfristen geben, um den Forenbetreibern Zeit zu geben, sich darauf einzustellen. Als Zeithorizont nannte Blümel September 2020. Das hänge aber auch von der Begutachtung, Notifizierung und finalen Verabschiedung ab.

Kritik von Sigrid Maurer

Auf Twitter nimmt Sigrid Maurer zu dem geplanten Gesetz Stellung. Die 33-Jährige war im Oktober 2018 in erster Instanz vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen übler Nachrede verurteilt worden, nachdem sie im Mai obszöne Nachrichten, die ihr geschickt wurden, auf Facebook öffentlich gemacht und den Namen des angeblichen Absenders beigefügt hatte. Der Besitzer eines Biergeschäfts bestreitet, die Nachrichten verfasst zu haben. „Was ändert sich also mit dem Gesetz für meine Situation, in der ich mich gegen diese Nachrichten nicht rechtlich wehren konnte, Stichwort #craftbeer? Richtig: ABSOLUT GAR NICHTS", schreibt sie auf Twitter.

Die Regierung habe sie und ihren Fall missbraucht, um ein „Zensurgesetz auf den Weg zu bringen". „Das Internet ist auch jetzt kein rechtsfreier Raum", sagt Maurer. Für Maurer scheitert eine Strafverfolgung aber „manchmal am Tempo der Justiz".

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