Razzien in rechtsextremer Szene: Kickl streitet politisches Kalkül ab

MINISTERRAT: BM KICKL
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Die Staatsanwaltschaft Leoben nannte neue Details zu den 32 Razzien in der rechtsextremen Szene. Innenminister Kickl freute sich über einen handlungsfähigen Verfassungsschutz.

Die Staatsanwaltschaft Leoben hat am Mittwoch Details zu den 32 Hausdurchsuchungen in der rechtsextremen Szene genannt: Unter den 32 verdächtigen Österreichern, bei denen Datenträger und Waffen sichergestellt wurden, befinden sich 26 Männer und sechs Frauen im Alter von 24 bis 50 Jahren. Elf - und damit die meisten der Hausdurchsuchungen - erfolgten in der Steiermark.

Andreas Riedler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leoben, sagte am Mittwoch, dass neben der Steiermark auch noch sechs Hausdurchsuchungen in Niederösterreich, fünf in Vorarlberg, drei in Salzburg, jeweils zwei in Kärnten, Oberösterreich und dem Burgenland sowie eine in Wien stattgefunden haben. Er bestätigte, dass der ursprünglich mit dem Akt betraute Staatsanwalt seit längerer Zeit im Krankenstand ist, weshalb vor einigen Monaten ein anderer den Fall übernommen habe.

Aufgrund der umfangreichen Ermittlungen und mehrerer Rechtshilfeersuchen bei ausländischen Behörden - einige der insgesamt rund 90 Verdächtigen befinden sich derzeit im Ausland - habe es gedauert, bis es zur Planung der koordinierten Hausdurchsuchungen gekommen sei, erklärte Riedler. Nun müssen die sichergestellten Datenträger ausgewertet werden. Zudem müssen die gefundenen Waffen spezifiziert werden, sagte Riedler. Geklärt werde, ob sie unter das Waffengesetz fallen, ob es sich um Kriegsrelikte handelt und ob die Waffen funktionstüchtig sind.

Die Ermittlungen dürften voraussichtlich noch Wochen, gar Monate dauern. Berichte der "Kleinen Zeitung", wonach das am Dienstag genannte Konzert vom März 2018 im Veitscherhof in der Gemeinde St. Barbara im Mürztal stattgefunden habe, bestätigte Riedler nicht. Ebenso wenig wollte er sich aus ermittlungstaktischen Gründen dazu äußern, ob das Konzert tatsächlich als Geburtstagsfeier angekündigt war. Geprüft werde derzeit auch noch, ob Haftgründe vorliegen.

Kickl sieht handlungsfähiges BVT

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wertete am Mittwoch die Razzien als Beleg für die Handlungsfähigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BVT). Dass hinter dem Zeitpunkt der Durchführung der Aktion politisches Kalkül stecken könnte, wies er zurück.

Den Vorwurf, die Regierung hätte die Präsentation der Ermittlungsergebnisse angesichts der jüngsten Negativschlagzeilen über die Verbindungen der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären bewusst inszeniert, wies Kickl im Pressefoyer nach dem Ministerrat zurück und stellte die Gegenfrage, ob man denn auf die Razzia hätte verzichten sollen: "Das wäre geradezu absurd." Zudem sah er die Vorwürfe, dass das BVT unter seiner Ministerschaft nicht alle Formen des Extremismus am Radar hätte, als widerlegt an.

"Massiven Zuwachs im Personal"

Auch der Bericht der "Washington Post", demzufolge im Rahmen der Hausdurchsuchung im BVT im Frühling 2018 auch Daten mitgenommen worden seien, welche die Verbindungen zwischen Identitären und der FPÖ belegen sollen, ist aus Sicht Kickls widerlegt. Alle Akten im BVT würden elektronisch geführt, so Kickl: "Sie waren niemals Gegenstand der Hausdurchsuchung." Zudem seien sie immer in der Hand des BVT gewesen. Ähnliches hatte auch Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek am Dienstag vor Journalisten gesagt.

Dass das BVT personell ausgedünnt sei, sei "blanker Unfug", erklärte Kickl nach dem Ministerrat: "Im Gegensatz zur Phase der Stagnation im Jahr 2017 gibt es einen massiven Zuwachs im Personal.“ Wie dieses eingesetzt werde, sei aber Sache des Direktors. Die Leiterin des Extremismusreferats - das ja auch für Ermittlungen gegen Rechtsextreme zuständig wäre - hatte während des Untersuchungsausschusses zur Causa um das BVT ihren Eindruck geäußert, dass das Extremismusreferat personell ausgedünnt werde, während andere Stellen im BVT Personal bekämen.

Widerspruch von U-Ausschusspolitikern

Der SPÖ-Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss, Jan Krainer, widersprach Kickl: Die Aussage des Innenministers, wonach alle Akten im BVT allesamt elektronisch geführt würden und immer in der Hand des Verfassungsschutzes gewesen seien, sei unrichtig. Krainer sagte, bei der BVT-Razzia seien nicht nur Tausende Seiten ausgedruckter Akten durchstöbert und Hunderte Seiten mitgenommen, sondern auch gigabyteweise Datenträger beschlagnahmt worden.

Auch „Jetzt“-Sicherheitssprecherin Alma Zadic schlug in dieselbe Kerbe wie Krainer. „Wir wissen aus dem BVT-Untersuchungsausschuss: Die EGS (die Polizeieinheit, die die Razzia durchführte, Anm.) hat Unmengen an Akten zu Neonazis und Rechtsextremisten aus dem Büro der Extremismusleiterin sichergestellt und aus dem BVT mitgenommen.“ Dies habe "sehr wohl" Auswirkungen auf die Arbeit des BVT und laufende Ermittlungen im Neonazi-Bereich gehabt, meinte Zadic.

(APA/Red.)

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