Warum Netanjahu die Wahlen gewonnen hat

Benjamin Netanjahu bei der Stimmabgabe.
Benjamin Netanjahu bei der Stimmabgabe.APA/AFP/POOL/ARIEL SCHALIT
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Die Polarisierungsstrategie des Likud-Chefs ging auf. Der Premier saugte im Duell mit Ex-Generalstabschef Benny Gantz kleinere Parteien auf. Das alte Rechts/Links-Schema ist obsolet, es dient nur noch als rhetorische Figur.

Jerusalem. Mehr Macht für weniger Parteien – das ist ein Ergebnis des Zweikampfes zwischen Benjamin Netanjahu vom Likud und Benny Gantz, dem Chef von Blau-Weiß. Das polarisierte Duell ging zulasten der kleineren Parteien, die an der Sperrklausel scheiterten, und der Arbeitspartei. Machtlos mussten die Sozialdemokraten zusehen, wie ihre Wähler zu Blau-Weiß überliefen, denn nur Gantz hatte eine reelle Chance, Netanjahu vom Thron zu stoßen.

„Teile und herrsche“, so bringt Schlomo Pyoterkovsky, Analyst der Tageszeitung „Jediot Ahronot“, Netanjahus Wahlkampf auf den Punkt. Der Premier wetterte gegen Araber, Linke, die Besatzungskritiker, Intellektuelle und Medien. Die Rechnung ging auf. Die durch das im Vorjahr verabschiedete Nationalstaatsgesetz bereits desillusionierten Araber blieben den Urnen in Scharen fern. Am Ende war die Wahl ein jüdisches Referendum über Netanjahu.

Der Premier versuchte, die Lager auseinanderzutreiben. Gantz indes setzte auf die Mitte. „Links und rechts ist Vergangenheit“, war seine erste Botschaft, als er im Dezember die politische Bühne betrat. Der Politologe Ofer Kenig vom Akademischen College in Aschkelon interpretiert das Gantz-Ergebnis einerseits als „größten Erfolg einer Mitte-links-Partei seit 1992“. Mit ein Grund dafür dürfte die militärische Laufbahn des Spitzenkandidaten von Blau-Weiß sein. Wie 1992 Yitzhak Rabin und 1999 Ehud Barak, die letzten beiden Wahlsieger der Arbeitspartei, war auch Gantz Generalstabschef.

Andererseits sei Gantz an dem Ziel, dem rechten Lager Stimmen abspenstig zu machen, gescheitert. Stattdessen sind vom linken Lager in Israel nur noch klägliche Reste übrig. Ganz knapp gelang der Meretz mit vier Mandaten der Einzug in die Knesset, und die Arbeitspartei landete auf ihrem historischen Tiefstand. Die Sozialdemokraten seien unter ihrem Spitzenkandidaten, Avi Gabai, „in eine Führungskrise geraten“, meint der Politologe. Gabai habe Fehler gemacht, besonders fatal sei die unilaterale Aufkündigung des Bündnisses mit der früheren Justizministerin Tzipi Livni gewesen. Dazu kommt eine „Orientierungslosigkeit“, die man weltweit bei sozialdemokratischen Parteien beobachten könne.

 

Einig in der Palästinenser-Frage

„Links“, so meint Kenig, „steht heute nicht mehr für Frieden und Zugeständnisse an die Palästinenser.“ Die große Mehrheit der Israelis glaubt nicht mehr an einen Frieden mit den Palästinensern und setzt deshalb auf strikte Maßnahmen gegen Terror und Krieg.

Der Unterschied zwischen Netanjahu und Gantz, zwischen rechts und links ist ihre politische Streitkultur, der Umgang mit Minderheiten, ihre Haltung zu Demokratie, Menschenrechten, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit – und den Ultraorthodoxen. Darf es Sonderregelungen für junge Männer geben, die in einer Religionsschule studieren und deshalb nicht zum Militär gehen? Wie steht es um das Monopol der Rabbiner in Familienfragen? Die orthodoxen Parteien sind auf dem Vormarsch. Es kommt bereits jeder vierte Erstklässler aus einer ultraorthodoxen Familie.

Die Israelis in links und rechts zu unterteilen ist obsolet. Die großen Bruchlinien verlaufen zwischen Juden und Arabern sowie zwischen Orthodoxen und Weltlichen. Die Kluft wird nach dieser Wahl nicht geringer werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2019)


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