Neue Bundesagentur: Zweifel an unabhängiger Beratung

Justizminister Josef Moser.
Justizminister Josef Moser.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Die Regierung will die Aufgaben im Flüchtlingsbereich stärker in staatliche Hand zurückholen. Nicht nur von den NGOs gibt es Kritik daran.

Wien. Der Gesetzesentwurf war noch nicht einmal geschrieben, da gab es schon eine erste kritische Stellungnahme – von besonders prominenter Stelle: Justizminister Josef Moser (auf ÖVP-Ticket in der Regierung) weigerte sich, die Verträge zwischen seinem Ressort und NGOs wie Diakonie und Volkshilfe zu kündigen. Die Pläne von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die Rechtsberatung von Asylwerbern wieder stärker in staatliche Hand zu holen, seien noch zu unkonkret, außerdem habe man die möglichen Folgen und Kosten noch nicht evaluiert, argumentierte Moser.

Nach einigen Monaten – und einem öffentlich ausgetragenen Streit – einigten sich die beiden Minister allerdings doch noch auf eine Reform: Sämtliche Kompetenzen im Flüchtlingsbereich, die bisher an NGOs oder private Firmen übertragen wurden, sollen nun in der neuen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) gebündelt werden. Das betrifft die Betreuung in den Quartieren, aber auch die Rückkehr- und Rechtsberatung von Geflüchteten. Durch diese Maßnahme will die Regierung einerseits Kosten sparen. Andererseits soll laut Kickl die Beratung „objektiver und realistischer“ werden.

Der Gesetzesentwurf liegt bereits im Parlament – bis heute, Freitag, konnten dazu Stellungnahmen abgegeben werden. Und die fallen großteils kritisch aus: „Durch dieses Vorhaben wird eine unabhängige Rechtsberatung de facto abgeschafft“, schreibt etwa die evangelische Kirche Österreichs. Rechtsberater, die dem Innenministerium unterstellt seien, „können nicht im ausschließlichen Interesse der Schutzsuchenden handeln“. Das Problem bei Asylverfahren sei vielmehr die schlechte Qualität der Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), argumentiert man in der Stellungnahme. Zur Erklärung: Die Mitarbeiter des BFA entscheiden darüber, ob ein Asylwerber Schutz erhält – oder eben nicht. Der Betroffene kann gegen den Bescheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. In dieser Zeit haben Asylwerber Anspruch auf eine Rechtsberatung.

Tatsächlich hatte auch Moser anfangs Zweifel, ob die Unabhängigkeit der Berater mit der neuen Agentur gewährleistet ist. Er einigte sich mit Kickl darauf, dass der Bereichsleiter vom Justizminister bestellt und darüber hinaus mit eigener Handlungsvollmacht ausgestattet wird.

Richtervereinigung warnt

Das begrüßt die Richtervereinigung in ihrer Stellungnahme zwar. Aber: „Ungeachtet dessen bestehen Bedenken, eine unabhängige und weisungsfreie Rechtsberatung und -vertretung in einer Gesellschaft anzusiedeln, die unter dem beherrschenden Einfluss des Innenministers steht.“ Im Gesetzestext müsse man die Unabhängigkeit mit weiteren Maßnahmen sicherstellen.

Außerdem stößt sich die Richtervereinigung auch an dem Ziel, eine „objektive“ Rechtsberatung anzubieten. Ab einem gewissen Zeitpunkt seien die Berater eben auch der Person verpflichtet – spätestens dann, wenn sie um eine Rechtsberatung bittet. Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas, formulierte es so: „Wer von uns würde sich einem Rechtsbeistand anvertrauen, der finanziell derselben Behörde unterstellt ist wie die Gegenseite im Verfahren? In einer solchen Situation sind Interessenkonflikte programmiert.“ Und für Diakonie-Direktorin Maria Moser gehöre zum Rechtsstaat auch die Sicherstellung von fairen Verfahren für Schutz suchende Menschen. (ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2019)

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