Kleinanleger ersetzen Großinvestoren

Rendering der Tiefkühl-Logistikhalle in Salzburg
Rendering der Tiefkühl-Logistikhalle in Salzburg
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Finanzierung. Wohnbauträger haben das Crowdinvestment als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit entdeckt. Ob Gewerbeimmobilien nachziehen werden, darüber scheiden sich die Geister.

Die Experten sprechen von einem Boom im Crowdfunding-Bereich: Allein im vergangenen Monat beteiligten sich private österreichische Kleinanleger mit knapp fünf Millionen Euro an verschiedenen Immobilienprojekten. Damit hat das „Betongold“ anderen bisherigen Stärkefeldern dieser Finanzierungsart bei Weitem den Rang abgelaufen: In Start-ups oder neue Technologien flossen nur rund 0,3 Millionen Euro. Den Grund dafür sieht Sebastian Scholda, Geschäftsführer der Vergleichsplattform Crowdcircus, neben attraktiven Fixzinsen von durchschnittlich sechs bis acht Prozent darin, dass „bei Immobilien eine Vielzahl an Projekten angeboten wird und daher das Verlustrisiko durch die Möglichkeit einer breiten Streuung gering ist.“

Für die Anleger ist Risikostreuung wichtig, denn wer auf einer der derzeit 20 in Österreich aktiven Crowdfunding-Plattformen im Internet ein interessantes Immobilienprojekt findet und Geld investiert, gewährt rechtlich gesehen fast immer ein Nachrangdarlehen. Das bedeutet: Geht das Vorhaben daneben, schauen die Kleinanleger wahrscheinlich durch die Finger. Was auffällt: Bei den vielen Immobilienprojekten, deren Betreiber eine Kofinanzierung durch die „Crowd“ anbieten, handelt es sich fast ausschließlich um Wohnbauten. Die Zahl der Gewerbeimmobilien hingegen lässt sich an den Fingern abzählen. Andreas Zederbauer, Geschäftsführer der in Wien ansässigen Crowdfunding-Plattform Dagobertinvest, begründet dies damit, dass „Wohnbauvorhaben für die Anleger transparenter sind und daher lieber gezeichnet werden“. Das Risiko könne leichter abgeschätzt werden. Auch „funktionieren in diesem Sektor traditionelle Finanzierungsformen“, weshalb die Bauträger keinen Anlass haben, auf Crowdinvestment zurückzugreifen. „Zudem bewegen sich Gewerbeimmobilienprojekte oft in Dimensionen, die die Kaufkraft der Kleinanleger übersteigen“, ergänzt Scholda.

Trend geht zu großen Projekten

Während Zederbauer nicht damit rechnet, dass Crowdfinanzierung für die Betreiber von Gewerbeimmobilien in naher Zukunft zum Thema wird, gehen andere Fachleute sehr wohl von einem steigenden Interesse aus. Denn die Investitionsbereitschaft der Kleinanleger nehme zu, wie Scholda anmerkt: „Der Trend beim Crowdfunding geht hin zu immer größeren Projekten.“ Wolfgang Deutschmann, Geschäftsführer der auf Immobilien spezialisierten Plattform Home Rocket mit Sitz in Graz, bestätigt: „Kürzlich haben wir für ein Vorhaben in Hamburg eine Million Euro innerhalb von 24 Stunden aufgebracht. Solche Beträge sind inzwischen in kurzer Zeit machbar.“

Davon profitieren Projekte mit gemischter Wohn- und Gewerbenutzung. So haben die Anleger etwa auf Home Rocket eine Million Euro in das Grazer „Brauquartier“ gesteckt und in der Mariahilfer Straße in Wien wurde im Februar der Umbau eines kombinierten Hotel- und Shopgebäudes auf Dagobertinvest mit 400.000 Euro erfolgreich finanziert. Ganze Hotels sind mit Crowdinvestments ebenfalls stemmbar, wie das BW-MicroLiving Hotel Meininger in Innsbruck oder die Falkensteiner Hotelgruppe beweisen. „Wir sind auf diese zusätzliche Finanzierungsform nicht angewiesen“, stellt Falkensteiner-Miteigentümer Otmar Michaeler klar. „Aber wir stärken damit unsere Marke und können unsere Kunden direkt an unserem Erfolg teilhaben lassen.“

Ärztezentrum und Tiefkühlhalle

Erst kürzlich konnten sich Anleger auf der Plattform Rendity an der Errichtung eines Ärztezentrums in Döbling beteiligen, ebenfalls bereits abgeschlossen ist die Finanzierung einer Tiefkühllogistikhalle in Hallein bei Salzburg auf Home Rocket. Bei letzterer brachten 400 Investoren gemeinsam 500.000 Euro auf. Anbieter war die OCC Immobilien GmbH. Geschäftsführer Manfred Brandauer: „Das war ein Test, um zu sehen, ob Crowdinvestment für uns eine sinnvolle Ergänzung der Finanzierungsmöglichkeiten darstellt.“ Zudem wollte man bewusst keine großen Investoren an Bord holen, um die Entscheidungsautonomie in Unternehmensfragen zu wahren. Brandauer zieht zufrieden Bilanz: „Das dank der Crowd gelungene Projekt wirkt sich auch positiv auf die Bonität unseres Unternehmens aus.“

Den Investoren ist wichtig, dass die Bauträger bereits im Vorfeld Miet- beziehungsweise Nutzungsverträge abgeschlossen haben. Damit steigen die Chancen, dass das jeweilige Projekt die versprochene Rendite auch tatsächlich abwirft. „Gewerbeimmobilien werden noch genauer als Wohnprojekte auf ihr Verwertungskonzept hin überprüft, bevor wir sie online stellen“, sagt Deutschmann, der seine positive Prognose auch darauf gründet, dass seine Plattform bereits „einige weitere Gewerbeimmobilien in der Pipeline“ habe.

AUF EINEN BLICK

Crowdinvestment ist eine besondere Form des Crowdfundings, bei der der Geldgeber am finanziellen Gewinn des von ihm unterstützten Projekts beteiligt wird. In Österreich ist Crowdinvestment seit dem Alternativfinanzierungsgesetz 2015 in größerem Umfang möglich. Im März 2019 beteiligten sich 3395 Österreicher an Crowdinvestment-Projekten, die über spezielle Internetplattformen abgewickelt werden, und legten dabei durchschnittlich rund 1500 Euro an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)

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