Berlin: Der frühe Vogel fängt den Wurm

In Potsdam liegt das Mietpreisniveau mittlerweile fast schon auf dem Niveau Berlins.
In Potsdam liegt das Mietpreisniveau mittlerweile fast schon auf dem Niveau Berlins.(c) imago images / Martin Müller (via www.imago-images.de)
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Aufgrund stark gestiegener Mieten und Kaufpreise weichen immer mehr Bewohner ins Umland aus. Immobilienentwickler wie die S Immo wittern darin eine Chance.

In keiner anderen deutschen Großstadt haben die Preise für Wohnungsmieten in den vergangenen zehn Jahren so stark zugelegt wie in Berlin. Das Plus in diesem Zeitraum beträgt beinahe hundert Prozent. Allein 2018 sind die Angebotsmieten laut CBRE Deutschland um 5,6 Prozent auf 10,34 Euro pro Quadratmeter angestiegen. Aber auch die Käufer von Eigentumswohnungen müssen ordentlich in die Tasche greifen: Ende 2018 lag der durchschnittliche Angebotskaufpreis bei 4150 pro Quadratmeter und damit um zwölf Prozent über jenem von 2017. Noch teurer sind Toplagen wie Pankow und Berlin-Mitte, wo mittlerweile durchschnittlich knapp 5000 beziehungsweise 5188 Euro verlangt wird.

Trotzdem ist Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Städten immer noch recht günstig. Experten sprechen daher von weiterem Potenzial. Laut einer Prognose von immowelt.de soll der durchschnittliche Kaufpreis bis Ende 2020 auf fast 4400 Euro pro Quadratmeter zulegen. Für Henrik Baumunk, Managing Director bei CBRE Deutschland, ist die Entwicklung der Miet- und Kaufpreise in der Spree-Metropole nicht verwunderlich. Einerseits hätten sich Einwohnerzahl, Wirtschaftsleistung und Arbeitsmarkt auch 2018 weiter dynamisch entwickelt. Andererseits liege der Leerstand im Geschoßwohnungsbau nur noch bei 0,9 Prozent. Zum Vergleich: 2010 waren es noch 2,6 Prozent.

Potsdam fast so teuer wie Berlin

Infolge der starken Preisanstiege weichen viele Berliner zunehmend auf die umliegenden Gemeinden der Hauptstadt aus. Seit 2011 ist dort die Zahl der Einwohner um 6,4 Prozent auf rund eine Million gestiegen und mit ihr auch die Immobilienpreise. Laut immowelt.de belief sich etwa das Plus in der 40-Minuten-Pendelzone auf 78, in der 50-Minuten-Pendelzone sogar auf 90 Prozent. Ein besonders extremes Beispiel ist Potsdam. Dort lag der Median der Mietpreise in den ersten drei Quartalen 2018 mit 9,86 Euro pro Quadratmeter nur unwesentlich unter dem Berliner Niveau.

Trotz der gestiegenen Preise sind die meisten Lagen im Berliner Speckgürtel noch recht günstig. Wie auch im Umland anderer Großstädte gilt: Je weiter entfernt von der Innenstadt, desto günstiger. Wobei sich regional – selbst bei ähnlichen Entfernungen zur Hauptstadt – allerdings große Unterschiede ergeben können. So kostet ein Haus in Potsdam, rund 40 Kilometer westlich, im Durchschnitt 529.000 Euro. In der Stadt Velten, die in ähnlicher Distanz nördlich von Berlin liegt, hingegen nur 270.000 Euro. In den Gemeinden Werder und Luckenwalde, die in der 60-Minuten-Pendelzone liegen, müssen für ein Haus im Durchschnitt 365.000 beziehungsweise 200.000 Euro auf den Tisch gelegt werden.

Regionale Städte profitieren

„Die Ausweichbewegung vollzieht sich nicht mehr nur in die Speckgürtel. Wir beobachten auch ein wachsendes Interesse an Immobilien in den kleineren regionalen Städten in unmittelbarer Umgebung“, erklärt Lukas Pieczonka, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters McMakler. Das gelte aber nicht nur für das Umland von Berlin, sondern auch von anderen deutschen Metropolen wie Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Hamburg, München und Stuttgart. In einer aktuellen McMakler-Analyse zeigt sich, dass die Preise in einigen kleinen regionalen Städten mittlerweile höher sind als in den nahen Großstädten. Die S Immo hat vor einiger Zeit begonnen, sich Grundstücke im Berliner Speckgürtel zu sichern. Im Fokus stehen dabei Lagen, die mit dem Auto in maximal einer Stunde vom Stadtzentrum aus erreichbar sind, wie etwa Jagen, Mühlenbeck, Ketzin und Uetz-Paaren. Vor allem Wasserlagen sind für den heimischen Immobilienentwickler von Interesse. „Bald werden wir im Berliner Speckgürtel eine Million Quadratmeter an Grundstücksfläche besitzen“, berichtet Vorstand Friedrich Wachernig. Bezahlt habe man für den Quadratmeter zwischen zehn und 20 Euro.

Längerfristige Pläne

Bei den Käufen handelt es sich um ein mittel- und langfristiges Projekt. „Man hat ja gesehen, wie sich der Wiener Speckgürtel entwickelt hat“, meint Wachernig. Dass einige der Grundstücke noch keine Widmung haben, bereitet ihm dabei keine Sorgen. Man habe in Vergangenheit schon bewiesen, dass man in der Lage sei, diese zu bekommen. Allerdings sei klar, dass es nicht möglich sein werde, entsprechende Widmungen für sämtliche erworbenen Grundstücke zu bekommen. „Im Notfall verkaufen wir wieder zum selben Preis“, spricht Wachernig von einem kalkulierbaren Risiko.

AUF EINEN BLICK

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Wohnungsmietpreise in Berlin fast verdoppelt. Laut CBRE Deutschland liegen sie derzeit bei 10,34 Euro/m2. Die Preise für Eigentumswohnungen lagen 2018 bei durchschnittlich 4150 Euro/m2, was einer Steigerungsrate von zwölf Prozent im Vergleich zu 2017 entspricht. Der Ausweichbewegung vieler Berliner ins Umland folgen nun die Entwickler: Die österreichische S Immo hat im Speckgürtel Berlins vorsorglich bereits eine Million Quadratmeter an Grundstücksfläche aufgekauft. Vor allem Wasserlagen versprechen großes Potenzial.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2019)

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