Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Das Arzt-Patienten-Gespräch soll auch Ängste nehmen.
Das Arzt-Patienten-Gespräch soll auch Ängste nehmen. (c) Getty Images (sturti)
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Das Verhältnis zwischen Medizinern und Patienten hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Gründe dafür sind das Internet, Spezialisierungen und neue Technologie. Fortbildung ist dringend nötig.

Veränderungen in der Medizin wie im gesamten Gesundheitsbereich haben dazu geführt, dass sich die Kommunikationsbeziehung zwischen Arzt und Patienten in den vergangenen zehn, 15 Jahren massiv verändert hat. Die rapide fortschreitende Spezialisierung und Technologisierung sowie der Druck zur Effizienzsteigerung haben Spuren hinterlassen.

Mehr als nur informieren

„Zwischen Arzt und Patient muss rasch Vertrauen hergestellt werden. Der Patient will nicht nur wissen, wie es um seine Gesundheit steht. Er möchte auch im subjektiven Erleben seines Unbehagens abgeholt und wahrgenommen werden“, sagt Christian Fazekas, Leiter der Teaching Unit für Psychosomatische Medizin und Gesundheitsförderung am LKH-Universitätsklinikum Graz und Koreferent im Referat für Psychosoziale, Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin der Österreichischen Ärztekammer. Diese vergibt die Zertifizierungen für die PSY-Diplome der Ärztekammer an die unterschiedlichen Institutionen. Sie werden in allen Bundesländern ausgenommen dem Burgenland angeboten und umfassen drei Stufen: psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin. Die Ausbildung dauert insgesamt rund sieben Jahre. Abgehalten werden die Kurse unter anderem an der Donau-Uni Krems, an der Med-Uni Wien und von der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin. „Zehn Prozent der österreichischen Ärzteschaft bilden sich in diesem Bereich fort, tendenziell eher jüngere Kollegen“, sagt Fazekas und verweist auf ein Train-the-Trainer-Programm der Plattform Gesundheitskompetenz ÖPGK. Es wurde 2018 in Wien gestartet, wird im Mai 2019 offiziell präsentiert und ermöglicht die Durchführung von Kommunikationstrainings in Gesundheitseinrichtungen in ganz Österreich.

Von Anfang an bei der Entwicklung der PSY-Diplome engagiert war Josef Egger, der 2011 an den ersten Lehrstuhl für „sprechende Medizin“ an die Med-Uni Graz berufen wurde – damals der einzige im deutschen Sprachraum. Der heute emeritierte Universitätsprofessor sieht in einem professionell geführten Arzt-Patienten-Gespräch vier Funktionen, die es zu erfüllen gilt: „Zum einen stellt es eine möglichst tragfähige Beziehung zwischen Arzt und Patient her, sodass ein Arbeitsbündnis entwickelt werden kann, um die gesundheitlichen Probleme zu lösen. Zum anderen gilt es im ärztlichen Gespräch möglichst viele krankheitsrelevante Informationen zu sammeln, um zu einer Diagnose zu kommen.“ Darüber hinaus sollte der Patient nach dem Gespräch über sein Befinden informiert sein und sich bei einer chronischen Erkrankung längerfristig beraten und begleitet fühlen.

Empathisch „mitschwingen“

Dass der Beziehungsaspekt für den Arzt eine Herausforderung darstellt, weiß Hans Peter Bilek. Der Psychiater, Neurologe und Psychotherapeut spricht von der schwierigen Aufgabe, „sich auf die Beziehung einzulassen, um emphatisch ,mitzuschwingen‘“. Ein wesentlicher Faktor sei Angst. „Ein Arzt, der seine eigene Angst nicht wahrnimmt, ist ein schlechter Arzt. Er kann nicht – und das ist die vornehmste ärztliche Aufgabe – entängstigen.“ Auf Anfrage bietet Bilek Kommunikationstrainings für Ärzte an, in denen etwa Rollenspiele eingesetzt werden, um die Wahrnehmung zu schulen und Analyse und Reflexion des eigenen Verhaltens zu ermöglichen.

„Idealerweise sollte ein Arztgespräch nach einem Schema ablaufen, das beide Seiten befriedigt: das Schaffen einer günstigen Situation durch geringe Wartezeit, einer Sitzposition ,über Eck‘, die angenehmer empfunden wird als frontales Gegenüber, eine ruhige Atmosphäre, keine Störungen durch Telefon oder Assistenten“, sagt Beatrix Kastrun. Die Trainerin bietet Seminare für Ärzte und Pflegepersonal an, etwa zum Thema Patienten- und Selbstmanagement oder Humor im Umgang mit Patienten. „In meinem Seminar ,Kommunikative Kraftkammer für den medizinischen Bereich‘ lege ich einen Schwerpunkt auf die systemische Betrachtung der Arzt-Patienten-Beziehung. Wir schauen: Wer leistet welchen Beitrag dazu, dass es im Gespräch so läuft, wie es läuft? Und was kann der Arzt beitragen, damit der Patient zu einem konstruktiven Mithelfer bei der Heilung wird?“ Neben der Betrachtung der konkreten Arbeitssituation des Arztes und seiner Assistenten widmen sich die Seminare den Grundlagen der Kommunikation, etwa dem Vier-Ohren-Prinzip mit den Kategorien Sachinhalt, Beziehung, Selbstoffenbarung und Appell sowie Arten des Zuhörens und nonverbaler Kommunikation.

Auch „Dr. Google“ spielt eine immer größere Rolle bei der Beziehung zwischen Arzt und Patient, sind sich die Experten einig. Das Internet sei Fluch und Segen gleichermaßen, sagt Philipp Nieke. Aus der eigenen Betroffenheit durch eine Rückenmarksverletzung vor 15 Jahren hat er einen Beruf gemacht und trainiert Pflegepersonal in diversen Gesundheitseinrichtungen, beispielsweise am Kepler Uniklinikum in Linz oder in der Oberösterreichischen Gesundheitsholding Gespag: „Qualitativ gute Informationen können einen Mehrwert für eine gelungene Kommunikation auf Augenhöhe darstellen, nicht evidenzbasierte Informationen bieten genau das Gegenteil“, ist er überzeugt.

Web:www.kastrun.com, www.nieke.at, www.arztakademie.at, www.oepgk.at, www.hp-bilek.at, www.oegppm.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2019)

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