Diesen Aufguss hat Shakespeare nicht verdient

Über ein angeblich Shakespeare gewidmetes Konzert mit dem RSO Wien und Bariton Simon Keenlyside.

Es ist schon erstaunlich, dass eine Konzerthälfte mit Pseudomusik allein zu füllen ist − nichts Originäres, bloß Aufgüsse oder Qualität zweiter Wahl: ein vorgeblich Shakespeare gewidmetes Programm im Konzerthaus mit dem tapferen RSO Wien unter dem hier unbekannten Ryan Wigglesworth, aber mit einem sogenannten Weltstar, Bariton Simon Keenlyside.

Selbst in einer müden Veranstaltung ist zu differenzieren: Dirigent und Komponist Wigglesworth ist weder in der einen noch in der anderen Funktion eine Bereicherung. Sein Stückwerk „Locke's Theatre“ (2013) bemüht alte Floskeln des Shakespeare'schen Theaters und versucht, sie klanglich zu übermalen. Das kommt einem gar nicht unschlauen Trick gleich, den Mangel an eigener Kreativität geheim zu halten. Er greift mit dickem Pinsel in den Orchestrierungs-Farbtopf, Arnulf Rainer hat ihn dabei sicherlich nicht inspiriert. Also dreimal quasi Originalszenen, jeweils mit „doubles“ – ist die britische Avantgarde so zahnlos geworden wie die Inselpolitik dilettantisch?

Es fehlt der Stimme Geschicklichkeit

Sibelius' Liedschaffen teilt sich in intimen Lyrismen mit. Es zu grobflächigen Orchesterliedern aufblasen zu lassen, ist weder geschmackvoll noch feinfühlig. Star Keenlyside läuft langsam zu guter Form auf und geht mit seiner noch immer edlen Opernstimme elegant spazieren; nur hat das mit Liedgestaltung wenig zu tun (wie die Sibelius-Lieder mit Shakespeare). Keenlyside hat früher seine Karriere im Steilflug genommen und ohne Rücksicht auf Verluste mit Kraft gesungen. Nun fehlt für das Lied die Geschicklichkeit des Registerwechsels (v. a. die voix mixte), und für deutsche Texte besonders eine präzise Diktion. Ob seine finnische Aussprache wohl authentischer (besser) war?

Wenigstens nach der Pause gab es Musik, die direkt mit Shakespeare zu tun hat: Edward Elgars symphonische Studie „Falstaff“. Virtuoser gespielt als unter dem nicht ungeschickten, doch eher hemdsärmeligen Wigglesworth könnte sie wohl Eindruck schinden. Matter Ausklang mit drei Ohrwürmern aus Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“-Musik. Das hat sich Shakespeare nicht verdient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2019)

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