Spielzeug kann auch unheimlich sein

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Alte Spielsachen sind oft von einer geheimnisvollen Aura umgeben. Das Spielzeugmuseum Graz versammelt Exponate und zeigt, womit und wie früher gespielt wurde.

Es hat etwas Beklemmendes. Mit großen Augen schauen die Puppenköpfe aus dem Regal. Nebeneinander aufgereiht, einige mit Haaren, einige ohne. Bei manchen fehlen die Augäpfel, andere schauen mit starrem Blick aus dem Glaskasten auf den Betrachter. „Man sieht ihnen die Zeit an“, sagt Wolfgang Preschan. „Sie schauen eingeschüchtert aus, verängstigt, hungrig.“

Und ja, erzählt der Betreiber des Spielzeugmuseums Graz, „manche Kinder sagen, es sei unheimlich“. Tatsächlich versprüht der hintere Teil des Museums, das im Sommer 2018 eröffnet hat, eine Atmosphäre, die ein wenig an Horrorfilme erinnert. Die Blicke aus den Porzellanköpfen der Puppen, die da aufgereiht stehen. Danebenliegende ganze Puppen, die im Glaskasten wie aufgebahrt wirken. Erst die moderneren Puppen haben so etwas wie ein Lächeln im Gesicht. „Man fragt sich da schon“, meint Preschan, „ob die gute alte Zeit wirklich so gut war.“

Tausende Exponate hat Wolfgang Preschan in den vergangenen Jahren zusammengetragen. Da ist etwa ein altes Schaukelpferd – „angeblich aus dem 17. Jahrhundert, aber ich glaube, dass es noch älter ist“. Ein altes Puppentheater aus dem Biedermeier, in dem ein ausgestopfter Alligator als Drache inszeniert wurde. Oder alte Ruderboote aus Blech, die zum Teil mit Uhrwerk aufgezogen werden können.

Begonnen hat seine Sammelleidenschaft eigentlich mit Oldtimern. Mehr als 100 davon hatte er schon, doch sie in einer Art Museum zu präsentieren, wäre ein riesiger Aufwand gewesen. Und da bot sich seine zweite Sammlung an – alte Spielsachen, die er aus Verlassenschaften, auf Flohmärkten und im Internet zusammenkaufte. „Und irgendwann entstand dann eben die Idee, ein Spielzeugmuseum zu machen.“ Etwa so, wie es auch schon in Salzburg eines gibt. Und als sich in Graz ein Standort mitten im Zentrum fand, schlug der Voitsberger zu.

Liebevoll und detailreich: Ein alter Kaufmannsladen im Spielzeugmuseum.
Liebevoll und detailreich: Ein alter Kaufmannsladen im Spielzeugmuseum.(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Weil er selbst Erfahrung im Baugewerbe hat, konnte er das Museum mit seinen rund 300 Quadratmetern selbst herrichten. Und eine Ausstellungswelt kreieren, die wie eine Wanderung durch einige Jahrhunderte Spielzeuggeschichte funktioniert. Eine Wanderung, bei der vor allem Ältere immer wieder an die eigene Kindheit erinnert werden. An alte Autos, Brettspiele, Zinnsoldaten oder den Matador-Baukasten, wie er vielleicht auch im eigenen Kinderzimmer gestanden ist.

„Dinner for one“. Und die Kinder? Die können sich wie in der Zauberwelt eines alten Spielzeugladens fühlen. Einen Blick auf altes Blechspielzeug werfen, auf Schaukelpferde oder auf Geschirr aus Puppenküchen. Und so einen Eindruck davon gewinnen, womit Kinder früher gespielt haben – in Zeiten, in denen Massenproduktion noch keine Rolle spielte. Dementsprechend sieht man auch viele Einzelstücke, unter anderem bei den liebevoll eingerichteten Puppenstuben.

Da ist eine Näherei, eine Schulklasse mit Schildkröten-Puppen oder auch eine Stube, in der das Szenario des Films „Dinner for one“ nachgestellt wird – das legendäre Zimmer mit Miss Sophie, Butler James, dem gedeckten Tisch und dem Tigerfell auf dem Boden.

Spannend zu sehen ist auch, wie sich der Umgang mit Sicherheit im Lauf der Jahrzehnte geändert hat. Preschan zeigt etwa einen alten Puppenherd, mit dem Mädchen einst spielten – „der wurde mit 220 Volt betrieben, ohne Schutzkontakt.“ Heute undenkbar, damals hingegen Normalität. „Es ist brutal, dass man Kindern damals so etwas geschenkt hat.“

Führung für Schulklassen. Wolfgang Preschan hat viele Anekdoten zu den Ausstellungsstücken zu erzählen, woher sie kommen, aus welcher Zeit sie stammen und wie sie funktionieren. Jemanden wie ihn dabeizuhaben, ist jedenfalls hilfreich, denn an der Aufarbeitung und Dokumentation der Stücke wird noch gearbeitet. Schulklassen und Kindergartengruppen seien aber regelmäßig begeistert, wenn sie hier sind. Für sie gebe es auch eigene Angebote, etwa, dass jedes Kind beim Besuch ein Gratisgetränk bekommt.

Wie viel Zeit man für die rund 250 Laufmeter Ausstellung einplanen soll? Das kommt darauf an, wie detailverliebt man sich mit all den alten Spielsachen, den Puppen, den Stuben oder den Blechautos beschäftigen möchte. Zu sehen gibt es jedenfalls sehr viel – eine Stunde kann da vielleicht sogar zu kurz sein.

INFO

Toy Museum

Adresse: Herrengasse 7, 8010 Graz; ✆ 0664/356 88 16
Tickets: Erwachsene 8 €, Kinder 4 €
Öffnungszeiten: Mo–So 10–18 Uhr
Web: www.spielzeugmuseumgraz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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