Wer braucht heute noch ein Parteibuch?

Im historischen Parteibuch der SPÖ wurden für bezahlte Mitgliedsbeiträge Marken eingeklebt.
Im historischen Parteibuch der SPÖ wurden für bezahlte Mitgliedsbeiträge Marken eingeklebt.(c) Archiv
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Eine Parteimitgliedschaft war bisher auch gleichbedeutend mit dem Zugang zu Businessnetzwerken und Jobs. Was sich mit Türkis-Blau geändert hat und wo die Grenze zwischen legitimer Machtausübung und Postenschacher verläuft.

Freilich prangern alle Parteien Postenschacher an. Das ist vor allem dann vermehrt zu beobachten, wenn sie gerade in Opposition sind. Dass eine Parteimitgliedschaft oft mehr ist als das Bekenntnis zu einer Gesinnungsgemeinschaft, hat eine lange Tradition. Wer ein Parteibuch besaß, durfte sich in der Vergangenheit durchaus Vorteile bei Job und Wohnung erhoffen. Aber was ist das Parteibuch heute noch wert, in einer Zeit, in der Parteien lieber politische Bewegungen sein wollen?
Eine letzte große Studie zum Thema der parteipolitisch motivierten Postenbesetzung gab es dazu im Jahr 2013. Der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik untersuchte die Postenvergabe in Unternehmen, an denen der Bund mehr als 50 Prozent der Anteile hält. Das Spektrum reichte dabei von den Österreichischen Bundesbahnen über die „Wiener Zeitung“ bis hin zur Timmelsjoch Hochalpenstraßen Aktiengesellschaft.

Untersucht wurde der Zeitraum von Anfang 1995 bis 2010 – und ob die 1242 Mitglieder in einem Vorstand, der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat Parteinähe aufweisen. „Bei mehr als der Hälfte aller Besetzungen war dies der Fall – das Gesamtbild der Studie legt nahe, dass das Parteibuch oft ein wichtiger Grund für die Vergabe war. Ausschlaggebend war auch, wer gerade regierte“, so Ennser-Jedenastik. Änderte sich die Zusammensetzung der Koalition, änderte sich auch die Besetzung der Topjobs, so das grobe Muster. Das ist nun seit dem Regierungswechsel von Rot-Schwarz auf Türkis-Blau wieder zu beobachten. Es wird seit Amtsantritt 2017 fleißig neu besetzt und umstrukturiert. Einige Beispiele: Bei Asfinag und ÖBB hinterließ Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) gründlich seine Handschrift. Der Burschenschafter Peter Franzmayr wurde neuer Aufsichtsratschef der Asfinag. An der Spitze der ÖBB-Holding wurde Ex-SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer als Aufsichtsratsvorsitzende gegen den Freiheitlichen Arnold Schiefer ausgetauscht.

Auch die Nationalbank bekam ein neues Direktorium: Je zwei Posten wurden von ÖVP und FPÖ vorgeschlagen. Mit der ÖBAG wurde eine neue Staatsholding ins Leben gerufen – der neue Alleinvorstand: Thomas Schmid, bisher Generalsekretär im ÖVP-Finanzministerium. Auch bei Telekom, Verbund, OMV und Post ging die Regierung systematisch vor und färbte um. Mit der Sozialversicherungsreform und der damit einhergehenden Bildung neuer Gremien wurden etliche neue Posten geschaffen, die nun mit türkis-blauen Vertrauten besetzt werden sollen.
Eines der nächsten großen Unternehmen, dessen Spitze neu aufgestellt werden soll, ist der ORF. Verhandlungen laufen. Auch die Statistik Austria soll „umstrukturiert“ werden. Dass das mit einem Wechsel des SPÖ-nahen Generaldirektors Konrad Pesendorfer einhergeht, darf angenommen werden.

Was ist noch legal? Wer regiert, der bestimmt also, wer wichtige Posten bekommt: Doch wo sind nun die Grenzen zwischen Korruption, Freunderlwirtschaft und legitimer Machtausübung?

„Eine parteipolitische Besetzung ist bis zu einem gewissen Grad legitim, solange auch Ausschreibungen korrekt sind und die Qualifikationsanforderungen stimmen“, sagt Ennser-Jedenastik. Das sei bei den Neubesetzungen dieser Regierung durchaus immer wieder grenzwertig. Als besonders problematisch sieht er die Konstruktion der Generalsekretäre, die in den Ministerien quasi als Zwitterwesen zwischen Politik und Apparat fungieren. „Sie wurden freihändig ernannt und können sich auf eigenen Wunsch in den Beamtenstatus versetzen lassen“, sagt Ennser-Jedenastik. Die Ernennung war also einfach, sie wieder loszuwerden werde dafür umso schwieriger.

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