Universalismus ist von gestern: Spitäler brauchen Schwerpunkte

KRANKENHAUS GOeTTLICHER HEILAND IN WIEN
KRANKENHAUS GOeTTLICHER HEILAND IN WIENAPA/HELMUT FOHRINGER
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Statt in allen Häusern ein breites Versorgungsspektrum anzubieten, setzt die Vinzenz Gruppe auf Spezialisierung. Und folgt damit einem internationalen Trend.

Der Vergleich mag nicht wie der passendste wirken, aber zur Verdeutlichung der Problematik taugt er allemal: Wie gut kann das Essen in einem Restaurant sein, das von Sushi, Chinesisch und Indisch über Italienisch, Türkisch und Österreichisch bis hin zu Amerikanisch, Mexikanisch und Fisch fast alle erdenklichen Küchen anbietet? Wer kennt sie nicht aus seinem Postkasten, die unzähligen Flyer, auf denen das alles zu finden ist? Dementsprechend schmeckt das Essen auch.

Es gibt einen Grund, warum gute Restaurants nur eine Handvoll Gerichte servieren – und sich auf diese spezialisieren. Man muss kein Koch sein, um zu verstehen, dass kaum eine Küche 150 Speisen frisch lagern und zubereiten kann. So wie man kein Arzt sein muss, um zu verstehen, dass hohe Fallzahlen das vielleicht wichtigste Qualitätskriterium eines Krankenhauses sind. Übung macht nun einmal den Meister. Warum sollte das in einem Spital anders sein? Wie soll die personelle und technische Ausstattung eines Krankenhauses Spitzenmedizin in sämtlichen Bereichen anbieten können? Und vor allem: Wer soll das bezahlen?

Wenn sich Mediziner, Pfleger und das Management auf ein Fach wie etwa Herzchirurgie, Orthopädie oder Gynäkologie konzentrieren, profitieren alle davon. Sie selbst, weil sie ihr Handwerk perfektionieren, auf mehr Erfahrungswerte zurückgreifen und damit Fehler nach Möglichkeit vermeiden können. Und natürlich die Patienten, die von einem eingespielten Team behandelt werden. Nicht ohne Grund wird Privatpatienten mit freier Arztwahl empfohlen, sich einen routinierten Oberarzt als Operateur auszusuchen. Nicht den Primar, der wegen bürokratischer Aufgaben oft kaum dazu kommt, selbst zum Skalpell zu greifen.


Nun hat selbstverständlich auch diese Medaille zwei Seiten. Und extreme Spezialisierung auch Nachteile. Der wahrscheinlich größte ist der Tunnelblick. Das Phänomen also, als Mediziner nur noch Augen für das jeweilige Spezialgebiet zu haben und dabei zu vergessen, dass vor einem ein ganzer Mensch sitzt, nicht nur eine untere Extremität oder ein Magen-Darm-Trakt. Mit dem Risiko, anderen Symptomen nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken und sie bei der Diagnose bzw. Therapie nicht angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann es im ländlichen Raum keine ausschließlich spezialisierten Fachkliniken geben. Sie wären weder ausgelastet noch könnten vielen Patienten die oft langen Anfahrten zugemutet werden. Wahrscheinlich hätte man auch Schwierigkeiten, ausreichend Fachärzte für solche Spitäler zu finden.

Aber in Ballungsräumen führt – wie auch der internationale Trend zeigt – an einer Zusammenlegung von Abteilungen kein Weg vorbei. Während die Wiener Gemeindespitäler seit Jahren nur darüber reden und (auch) wegen des teilweise erheblichen Widerstands der Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz nicht wechseln wollen, kaum vom Fleck kommen, hat die gemeinnützige Vinzenz Gruppe den Umbau ihrer sieben Krankenhäuser in Wien und Oberösterreich zu Fachkliniken gerade abgeschlossen. Zweifel seitens der Belegschaft gab es anfangs auch hier, sie wurden aber durch eine lange Vorbereitungsphase und intensive Kommunikation weitgehend ausgeräumt.

Die längeren Anfahrtszeiten für Patienten nimmt man in Kauf, da die Vorteile überwiegen. Zudem werden Doppelstrukturen vermieden, die angesichts der steigenden Ausgaben im Gesundheitssystem – bedingt durch eine älter und kränker werdende Bevölkerung sowie neue, teure Behandlungsmethoden – finanziell schwer zu argumentieren sind.

Ein für die Zukunft gewappnetes Spital muss sich also entscheiden und auf bestimmte Kompetenzen beschränken. Im selben Haus können nicht komplizierte Operationen durchgeführt, Frühgeborene betreut und seltene Infektionskrankheiten behandelt werden.

Wäre das möglich, hätte die Vinzenz Gruppe ihre Spitäler nicht in einem Rekordtempo – ein Jahr früher als geplant – spezialisiert. Denn Gemeinnützigkeit hin oder her, Ordensspitäler sind immer noch Privatkliniken, die zwar nicht auf Gewinn ausgerichtet sind, sich aber auch keine Verluste leisten dürfen.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2019)

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