Schönborn wegen Asylpolitik in Sorge

Wiens Erzbischof Christoph Schönborn über die Asylpolitik der Bundesregierung: „Das tut weh, weil es um elementare Menschenrechte geht.“
Wiens Erzbischof Christoph Schönborn über die Asylpolitik der Bundesregierung: „Das tut weh, weil es um elementare Menschenrechte geht.“(c) Michele Pauty
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Eine kleine Gruppe werde systematisch in ein schiefes Licht gerückt, sagt Kardinal Christoph Schönborn. Und das Türschild „Ausreisezentrum“ sei „einfach unmenschlich“.

Wien. Bislang ist Kardinal Christoph Schönborn kaum als Regierungskritiker in Erscheinung getreten. Doch nun hat er sich gleich zweimal hintereinander öffentlich gegen die Politik von ÖVP und FPÖ gestellt. In seiner am Freitag erschienenen „Heute“-Kolumne hatte Schönborn an den „Gesetzgeber“ appelliert, nicht bei den „besonders belasteten“ Alleinerziehenden zu sparen. Anlass war die bevorstehende Reform der Mindestsicherung.

Am Sonntag ging der Wiener Erzbischof dann ungewöhnlich hart mit der Regierung ins Gericht. Dieses Mal wegen ihrer Asylpolitik: Eine kleine Gruppe von Menschen werde „systematisch in ein schiefes Licht gerückt“, so der Wiener Erzbischof in der ORF-Pressestunde. „Das tut weh, weil es um elementare Menschenrechte geht.“

Er wolle das nicht als Generalkritik an der Regierung, die vieles gut mache, missverstanden wissen. „Aber wir machen uns Sorgen.“ Und es gebe Signale, die nicht notwendig seien. Das Türschild „Ausreisezentrum“ in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen etwa sei „einfach unmenschlich“, kritisierte der Kardinal, der im Säuglingsalter einst selbst als Flüchtling nach Österreich gekommen war.

Asylanträge werden weniger

Kurz vor Schönborns TV-Auftritt ist bekannt geworden, dass die Zahl der Asylanträge in Österreich weiter sinkt. Im ersten Quartal 2019 wurden 2881 Anträge gestellt – um rund 30 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2018 (4050).

Die meisten Antragsteller kamen erneut aus Syrien (631). Dahinter: Afghanistan (597), Iran (189), Irak (186) und die Russische Föderation (182). Die Zahl der offenen Verfahren ist ebenfalls gesunken und liegt derzeit bei rund 34.000. In der Grundversorgung befanden sich mit Stand 1. April rund 39.000 Personen, Anfang 2018 waren es noch 61.000 gewesen.

In den ersten drei Monaten des heurigen Jahres wurden 12.000 rechtskräftige Entscheidungen gefällt, 5000 betrafen den Status Asyl, wobei 50 Prozent positiv und 50 negativ entschieden wurden. Über subsidiären Schutz wurde 2300-mal entschieden, in 600 Fällen positiv, in 1700 Fällen negativ. Noch seltener gewährten die Behörden humanitären Aufenthalt – von 3600 Entscheidungen fielen 3180 negativ aus.

Kickl: „Nicht zurücklehnen“

Für Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sind die jüngsten Zahlen „kein Grund, dass wir uns zufrieden zurücklehnen“. Er kündigte „konsequente Außerlandesbringungen und schnelle Verfahren“ sowie die Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen an. Man müsse im Verbund der EU-Mitgliedstaaten Schleppern das klare Signal setzen, dass sie „nicht durchkommen“.

Zudem betonte Kickl, dass die Asylverfahren in „seiner Behörde“ nur rund drei Monate beziehungsweise sogar kürzer dauern. Das sehe man auch bei den Grundversorgungszahlen. So sind bei den Asylwerbern in der Grundversorgung weniger als 3000 Verfahren beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) anhängig, in der zweiten Instanz aber an die 21.000. Insgesamt sind von den offenen Asylverfahren weniger als 5000 in der ersten Instanz, dafür über 29.000 in der zweiten Instanz.

Er bestreite nicht, dass es unter den Flüchtlingen auch welche gebe, die möglichst schnell wieder nach Hause geschickt werden sollten, meinte Schönborn am Sonntag. Doch die meisten von ihnen seien vor Krieg, vor Tod geflüchtet und traumatisiert. Und deshalb gebe es hier politisch schon „Gesprächsbedarf“. Besorgt zeigte sich der Wiener Erzbischof auch über die „populistischen Tendenzen in ganz Europa, denen wir uns entgegenstellen müssen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2019)

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