Michael Köhlmeier: "Das Gefühl der Gier kenne ich nicht"

Der Schriftsteller Michael Köhlmeier.
Der Schriftsteller Michael Köhlmeier.(c) Clemens Fabry
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Kein Sachbuch hat Michael Köhlmeier so beeindruckt wie Karl Marx' „Das Kapital“. Der Schriftsteller gilt als beinharter Verhandler, der genau weiß, welchen Marktwert seine Ware hat. Woher? „Ausreizen. Anders geht es nicht“, sagt er.

Die Presse: Wie sehr hat Sie die Lektüre von Karl Marx' „Das Kapital“ weltanschaulich geprägt?

Michael Köhlmeier: Weltanschaulich auch, aber mehr intellektuell. Von allen Sachbüchern, die ich in meinem Leben gelesen habe, hat mich „Das Kapital“ am allermeisten beeindruckt. Vielleicht auch deshalb, weil ich nicht viele Bücher derart intensiv gelesen habe. Als ich es las, war ich Anfang 20 und hatte zum ersten Mal das Gefühl, eine für mich schlüssige Gesellschaftstheorie präsentiert zu bekommen.

Wirklich?

O ja! Dass die Arbeitskraft, um sich selber am Leben zu erhalten, nicht soviel braucht, wie sie in der Lage ist zu erzeugen, ist eine grundlegende Erkenntnis, die jedes Wirtschaftswachstum erklärt. Daraus erwächst der Mehrwert und daraus der Profit. Ich ärgere mich immer, wenn jemand behauptet, „Das Kapital“ sei so etwas wie die Kampfschrift des Kommunismus. Sie finden darin keinen einzigen agitatorischen Satz. Es ist eine Analyse der Produktions- und Distributionsverhältnisse der Zeit, in der Marx gelebt hat. Ich würde mich sehr gerne mit ernstzunehmenden Kritikern dieses Werkes auseinandersetzen, die mir beweisen, dass erstens Marx damals falsch lag, und zweitens, dass seine Thesen im Grundsatz heute nicht mehr zutreffen.

Sie meinen, seine Thesen stimmen heute noch?

Wenn mir jemand erklären und beweisen kann, dass der Mehrwert heute nicht mehr dadurch entsteht, dass die Arbeitskraft mehr erzeugt, als sie für ihre eigene Reproduktion benötigt, bin ich das gerne bereit zu glauben.

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