Maschek-Video: Dieser ORF-„Piep“ war ungerechtfertigt

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Der Satirebeitrag von Maschek über Strache war rechtlich unbedenklich.

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„Vom Neonazi zum Sportminister, eine typisch österreichische Karriere.“ So begrüßt Sportjournalist Ernst Hausleitner in der fiktionalen Synchronisation von Maschek Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Der Satire-Beitrag in der Fernsehsendung „Willkommen Österreich“ hat in seiner jüngsten Folge das Verhältnis der FPÖ zu Rechtsradikalismus und zur Identitären Bewegung aufgegriffen.

Der ORF nahm den Beitrag vorübergehend aus der TVthek und veröffentlichte schließlich eine adaptierte Version, in der die Formulierung „Vom Neonazi zum Sportminister“ mit einem langen „Piep“ überblendet wird. Diese Maßnahme, die zu heftigen Diskussionen führte, hält der ORF für „rechtlich geboten“. Ist diese Auffassung stichhaltig? Mit der Passage spielen die Satiriker darauf an, dass Strache als junger Erwachsener gemeinsam mit Neonazis an sogenannten Wehrsportübungen teilgenommen hat – also von rechtsradikalen Gruppen organisiertes militärisches Training. Im fiktionalen Satirebeitrag von Maschek verteidigt Bundeskanzler Kurz Strache damit, dass er von „Jugendsünden“, „von Krieg spielen im Wald“ und „Schneeballschlachten“ spricht.

Darf man den Vizekanzler und Sportminister vor diesem Hintergrund mit dem Begriff „Neonazi“ in Verbindung bringen? Er rückt Strache zwar in die Nähe zur verabscheuenswürdigen Ideologie des Dritten Reichs und hat daher ein entsprechendes Beleidigungspotenzial. Maschek knüpft aber eben an gewissen Tatsachen aus Straches Jugendzeit an. Zahlreiche Medien berichteten über die früheren Kontakte des Vizekanzlers zur rechtsextremen Szene. So schrieb die „Süddeutsche Zeitung“, dass Strache etwa zu Silvester 1989 an einer Veranstaltung der Wiking-Jugend teilgenommen hat, die in der Tradition der Hitler-Jugend stand, als neonazistisch galt und deshalb 1994 in Deutschland verboten wurde. Strache selbst hält dazu fest, dass er zwar ein „Suchender gewesen sei“, den Nationalsozialismus jedoch verachte.

Hinzu kommt, dass satirische Beiträge und Parodien bewusst verzerren und überhöht angelegt sind. Satiriker arbeiten mit Fiktion, Hohn, Ironie, Provokation, Spott, Übertreibung und Zynismus. Satire ist nicht nur über die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt, sondern auch über die Kunstfreiheit. Dennoch gibt es auch bei Satire rechtliche Grenzen, etwa wenn die Menschenwürde einer Person verletzt wird oder es dem Künstler allein darum geht, den Angegriffenen zu beleidigen. So wurde etwa eine Karikatur, in der der frühere bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß als Schwein dargestellt wurde, das mit anderen Schweinen in Justiztracht kopuliert, vom deutschen Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig eingestuft. Im Maschek-Fall liegt demgegenüber weder ein Eingriff in die Menschenwürde noch eine willkürliche Beleidigung Straches vor, die Satire steht ja hier im Kontext zu realen Vorkommnissen.

Darüber hinaus hat die überblendete Formulierung einen Sachbezug zur Politik – es geht um die früheren politischen Kontakte des zweithöchsten Regierungsmitglieds, also um ein Thema, das für die Allgemeinheit Relevanz hat. Insbesondere im politischen Meinungskampf nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine sehr liberale Haltung ein: Er schützt journalistische Provokationen selbst dann, wenn sie schockieren oder verstören. Auch wenn es Strache missfällt, dass seine Vergangenheit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, muss er das als Spitzenpolitiker aushalten.

Zusammengefasst bedeutet das Folgendes: Da die von Maschek gewählte Formulierung einen gewissen Wahrheitsgehalt aufweist, sie im Rahmen der überhöhten Kunstform Satire eingesetzt wird und den politischen Diskurs betrifft, erscheint sie aus rechtlicher Perspektive unbedenklich. Der ORF überblendete die Formulierung – aufgrund des Drucks der FPÖ? – zu Unrecht.

Dr. Alexander Warzilek ist Geschäftsführer des Österreichischen Presserats und Univ.-Lektor für Medienrecht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2019)

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