Ein Balkonmuppet?

Der frühere ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat ein Buch geschrieben, in dem er seinen Nachfolger heftig kritisiert.

Man kennt sie, die Balkonmuppets in der Politik, also die ehemaligen Spitzenpolitiker, die gefragt und vor allem ungefragt zu allem Möglichen ihren Sermon absondern. Möglichst natürlich mit Kritik an ihren Nachfolgern, denn das garantiert maximale Aufmerksamkeit.

Gehört Reinhold Mitterlehner jetzt auch in diese Kategorie? Der frühere ÖVP-Chef hat ein Buch geschrieben, das Morgen veröffentlicht wird und in dem er heftige Kritik an seinem Nachfolger Sebastian Kurz übt. Populismus als Ideologie wirft er ihm vor, Randgruppen würden stigmatisiert und ausgegrenzt, das Parlament übergangen und die Koalition habe ein Problem mit der Meinungsfreiheit. Das alles seien „Warnsignale", die uns verpflichten würden, nicht wegzusehen, wenn Grenzen überschritten würden.

Kurz und Mitterlehner - das ist keine friktionsfreie Geschichte. Der Bundeskanzler hat seinen Weg an die Spitze der Partei recht zielgerichtet geplant und Mitterlehner mag seine Ablöse als unsanft empfunden haben, wenn er im Buch über fehlende Loyalität und Anstand klagt. Andererseits: Die ganze Volkspartei war für diesen Wechsel. Mit Mitterlehner wäre bei der Wahl nichts zu gewinnen gewesen, mit Kurz aber sehr wohl, das wusste man.

Doch Erfolg ist nicht das einzige Kriterium, wie Mitterlehner richtigerweise anmerkt. Es stellt sich auch die Frage, mit welchen Grundsätzen und welchem Stil Politik verfolgt wird und welche Auswirkungen diese auf die Gesellschaft hat. Mitterlehners Kritik ist heftig und die meisten in der ÖVP werden sie nicht teilen. Aber sie ist auch Ausdruck jenes Unbehagens, das sich in Teilen der „alten“ Volkspartei über den Stil der neuen Führung breit macht. Insofern ist das Buch des früheren Vizekanzlers ein durchaus ernsthafter Diskussionsbeitrag zu politischen Grundsatzfragen. Ein Balkonmuppet wäre er erst, wenn er sich angewöhnen würde, im Alltagsgeschäft ständig reinzukeppeln.

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