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Was es braucht, um radikal innovativ zu sein

Jean-Philippe Hagmann
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Neue Serie „Wie radikale Innovation gelingt“ (2/8). Radikale Innovationen brauchen ein Problem, das viele Menschen betrifft. Oder eine neue Technologie, die viele Probleme lösen kann.

Nehmen wir das Wäschewaschen. Keine Frage, die Waschmaschine war eine radikale Innovation im Vergleich zur Wäscherumpel. Oder die Wegwerfwindel im Vergleich zum Auskochen. Die so emsig beworbenen Pods? Bestenfalls inkrementelle Verbesserung. Sie vereinfachen das Handling ein wenig.

Was wäre radikal? Wäsche, die nicht mehr gewaschen werden muss etwa. Die Waschmaschinen- und Waschmittelhersteller würde das gar nicht freuen. An diesem Beispiel lässt sich schön darstellen, was radikale Innovation braucht: eine große Zahl Menschen, die von einem Problem betroffen ist (dem Wäschewaschen) oder eine Technologie, die ein Problem löst. Dazu noch die Antwort auf die Fragen, ob die Masse die neue Lösung akzeptieren würde (vgl. Segway, Folge 1) und ob die Lösung wirtschaftlich vertretbar wäre, sprich: ob die Erlöse die Kosten bei Weitem übersteigen (was der Grund ist, warum sich Social Entrepreneurs so schwertun).

Schauen wir uns einmal den typischen Innovationsprozess an: Ein Unternehmen hat eine gute Idee, steckt sich ein Ziel und arbeitet mit Volldampf darauf hin. Klar, das eine oder andere Hindernis stellt sich in den Weg. Man ist geübt, es wegzuräumen.

Jean Philippe Hagmann

Start-ups gehen anders vor. Bei ihnen beginnt auch alles mit einer Idee. Sie aber denken nicht gleich über die Umsetzung nach. Sondern, welches dahinterliegende Problem sie mit ihrer Idee lösen könnten. Erst wenn sie das wissen, rennen sie los. Stoßen sie auf ein Hindernis, ändern sie den Kurs, oft in wildem Zick-Zack. So lange, bis ihr Produkt nicht mehr dem ähnelt, das sie eigentlich bauen wollten. Wen stört’s?

Jean Philippe Hagmann

Etablierte Unternehmen finden dieses Vorgehen entzückend. Nichts wollen sie mehr als solche Start-ups genau in dem Moment aufzukaufen, wenn ihr Produkt endlich marktfähig ist. Erste zu sein und obendrein super Publicity zu bekommen.

Das hat ein paar Haken: Woher weiß man, auf welches der vielen Pferde man setzen soll? Wann der richtige Moment ist? Oft steht man sich auch selbst im Weg: Wir glauben vor allem an jene Ideen, die uns logisch und vertraut scheinen und die unsere eigenen Meinungen bestärken. Bloß, so entstehen keine radikalen Innovationen. Diese Urteilsverzerrung heißt Confirmation Bias.

Noch eine Hürde: Traditionelle Unternehmen sind effizienzgetrieben. Sie sind es gewohnt, mit minimalem Input maximalen Output anzustreben. Innovation aber funktioniert anders. Kennt ein Start-up die Lösung des dahinterliegenden Problems noch nicht, kann es sie auch nicht fokussiert anvisieren. Druck erstickt es nur.

Jetzt könnte man mit einem hauseigenen Innovation Lab argumentieren. Gewissensfragen: Wie sehr steht ein solches unter schnellem Erfolgsdruck? Wie kennzahlengetrieben ist es (KPIs fressen bekanntlich Kreativität auf)? Wie sehr ist es ins Tagesgeschäft involviert? Wie vage sind seine Ziele („Mach uns digitaler“)? Wie engagiert ist das Mutterschiff, seine Konzepte umzusetzen?

Eben. Wie ein besseres Konzept aussehen könnte, lesen Sie nächsten Montag.

Die Ideen zu dieser Serie stammen aus dem Buch „Hört auf, Innovationstheater zu spielen“ von Jean-Philippe Hagmann.

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