"Österreich verliert weiße Weste": Kritik an Angriffen auf Journalisten

Symbolbild: Stapel von Zeitungen
Symbolbild: Stapel von Zeitungen (c) Clemens Fabry, Presse
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Österreich verschlechtert sich in der Rangliste der Pressefreiheit massiv, wie „Reporter ohne Grenzen“ mitteilen. Am stärksten aufgeholt hat Äthiopien, der größte Verlierer ist die Zentralafrikanische Republik.

Eine massive Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit in Österreich konstatiert "Reporter ohne Grenzen" (ROG). "Österreich rutscht von Platz 11 auf Platz 16 und verliert damit nicht nur fünf Ränge und 1,29 Punkte im Score, sondern vor allem seine Einstufung als Land mit guter Pressesituation", schreibt ROG in einer Aussendung anlässlich der Präsentation der Rangliste der Pressefreiheit.

"Damit verliert Österreich seine weiße Weste", fügt die Organisation hinzu. Bisher sei Österreich - trotz "auffällig hoher Inseratendichte, des weiterhin verschleppten transparenten Informationsgesetzes und der Beibehaltung des Amtsgeheimnisses - immer im weißen, unbedenklichen Bereich der Rangliste" zu finden gewesen. Dieses Jahr sei das anders.

„Schockiert, wohin sich Pressefreiheit entwickelt"

"Das ist alarmierend. Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unangreifbare Werte wie Pressefreiheit sind. Umso mehr müssen wir uns für sie einsetzen. Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat. Unabhängiger Journalismus ist Basis jeder Demokratie und muss entsprechend verteidigt werden", bilanzierte Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Die massive Verschlechterung erkläre sich vor allem durch die direkten Angriffe auf Journalisten durch die Politik. Vor allem seit Beginn der Koalition der Parteien ÖVP und FPÖ seien direkte Angriffe auf Medien häufiger geworden. Damit liege die österreichische Regierung im "Trend" - weltweit werden verbale Angriffe, die ein Klima der Einschüchterung entstehen lassen, immer mehr zum Problem für unabhängigen Journalismus. Das geschehe weniger subtil als noch zuvor. Auswirkungen der Angst vor persönlichen Angriffen sei vor allem eines: Selbstzensur und folglich weniger kritische Berichterstattung. Die Effekte des neuen Feindbildes Journalist seien tiefgreifend und vermutlich langanhaltender als die Regierung selbst.

Beispiele für persönliche Angriffe seitens der Politik auf Journalisten würden immer häufiger, heißt es seitens ROG. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) habe beispielsweise den ORF-Moderator Armin Wolf zu diffamieren versucht. Ähnlich sei es ORF-Korrespondent Ernst Gelegs bei seiner Direktberichterstattung aus Budapest anlässlich der Wiederwahl von Ministerpräsident Viktor Orban gegangen. Generell sei angekündigt worden, ein Drittel der Korrespondentenposten streichen zu wollen, sollten die Journalisten nicht "korrekt" berichten. Unter anderem habe die FPÖ auch die Absetzung des Redaktionsleiters Wolfgang Wagner wegen zu kritischer Fragen in der wöchentlichen Sendung "Report"gefordert.

Ein Bericht über die Liederbuch-Affäre habe wiederum Standard-Redakteurin Colette Schmidt "ins Zentrum des Hasses gebracht". Die Jugendorganisation der FPÖ habe ein Foto von ihr veröffentlicht, gemeinsam mit ihrer Mailadresse und der Aufforderung, Schmidt zu schreiben. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) habe in einem Schreiben an die Polizei die Weisung gerichtet, "kritische Medien" von Informationen fernzuhalten und die "kritischen Medien" sogar namentlich genannt, wird von „Reporter ohne Grenzen“ angeführt.

Bundeskanzleramt: „Jede Einschränkung inakzeptabel“ 

Donnerstagnachmittag nahm das Bundeskanzleramt zum Bericht Stellung. Von einer Einschränkung der Pressefreiheit könne keine Rede sein. Man habe die journalistische Arbeit sogar explizit aus der Datenschutzgrundverordnung ausgenommen und damit nicht nur klargestellt, dass an der Pressefreiheit „nicht zu rütteln und jede Einschränkung inakzeptabel“ sei, sondern auch eine „nachhaltige Maßnahme zur Stärkung der Presse- und Medienfreiheit gesetzt“.

Äthiopien und Gambia holen stark auf

Österreich liegt im Ranking der Pressefreiheit nur mehr auf Platz 16
Österreich liegt im Ranking der Pressefreiheit nur mehr auf Platz 16(c) APA

Die ersten Plätze der Rangliste der Pressefreiheit belegen übrigens Norwegen, Finnland und Schweden. Damit sind weiterhin sieben von zehn Ländern in den Top Ten europäisch. Auf Rang 7 liegt Neuseeland, auf Rang 8 Jamaika und auf Rang 10 Costa Rica. Am weitesten aufgeholt haben Äthiopien (+40 Plätze), Gambia (+30 Plätze) und Tunesien (+25 Plätze). Die größten Verlierer sind die Zentralafrikanische Republik (-33 Plätze), Tansania (-25 Plätze) und Nicaragua (-24 Plätze). Auch Ungarn (-14 Plätze), Serbien (-14 Plätze) und Malta (-12 Plätze) sind dramatisch abgestürzt. Auf den letzten drei Rängen liegen Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan.

Der Trend des Vorjahres, dass Angriffe auf Journalisten nicht mehr nur auf autokratische Länder oder Kriegsgebiete beschränkt sind, setzt sich laut ROG leider fort. Auch in vielen Demokratien werden Medien als Gegner wahrgenommen. Besonders politische Führer äußern sich zunehmend gegen Medienschaffende. Das Resultat ist ein Klima der Angst, das schwerere Angriffe erst ermöglicht.

Weltweit hat sich die Beurteilung um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Seit 2014 ist sogar ein Absturz um 11 Prozent zu verzeichnen. Insgesamt weisen 24 Prozent der 180 Länder eine gute (weiß) oder ausreichende (gelb) Situation für die Pressefreiheit auf. Noch im Jahr 2018 waren es 26 Prozent.

Auf einen Blick:

Die Rangliste der Pressefreiheit wird seit 2002 jährlich erstellt und misst durch 117 Fragen die Situation von Journalistinnen und Journalisten, Medienhäusern und zivilen Bürgerreporterinnen und -reportern in 180 Ländern. Damit ist die Rangliste der Pressefreiheit eines der besten Instrumente, um Informationsfreiheit sowie Pressefreiheit in einer Region zu erfassen. Der Index ist allerdings kein Beurteilungsmaßstab für die Qualität von Journalismus, die durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen eingeschränkt sein kann.

(APA)

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