Nachruf

Jörg Demus ist tot: Der Ballettmeister der zehn Finger

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++ ARCHIVBILD ++ OeSTERREICHISCHER PIANIST JOeRG DEMUSAPA/ROLAND SCHLAGER
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Zum Tod des österreichischen Pianisten, der in der Nacht auf den 17. April 90-jährig verstarb.

Einer von Österreichs prominentesten Pianisten, so kannte die Welt Jörg Demus, der freilich auch Komponist war, Künstler im umfassendsten Sinn. Die Vielseitigkeit war dem 1928 in St. Pölten Geborenen in die Wiege gelegt. Die Mutter Geigerin, der Vater einer hochgerühmter Kunsthistoriker – ein musischer Haushalt im besten Sinne des Wortes, in dem die Talente des Sprösslings gefördert wurden. Elf war Demus, als er zum Studium an die Akademie nach Wien wechselte, 15 bei seinem Konzert-Debüt, das immerhin im Brahmssaal des Wiener Musikvereins stattfand.

Das war 1943. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Demus zu einem der meist geachteten Exportartikel des wiedererstandenen Musiklandes Österreich, dessen virtuoser Vertreter Demus war: In Frankreich wie in England begrüßte man seine Einstandskonzerte euphorisch, 1956 siegte der Pianist beim Internationalen Busoni-Wettbewerb; im Mozart-Gedenkjahr – man mag nicht glauben, dass es ein Zufall war.

Wenige Interpreten betrachtete man weltweit über die Jahrzehnte hin als so sattelfest in allen Belangen der wienerischen Aufführungspraxis, deren Charme Demus freilich auch für ganz anderes Repertoire zu nutzen wusste: Bach spielte er mit Hingabe für die akribische Freilegung der kontrapunktischen Strukturen, aber immer bedacht auf die oft vielfältig ineinander verknüpften melodischen Entwicklungen; Schumann liebte er besonders – und deckte in dessen Musik nebst allem romantischem Überschwang auch die spielerische Leichtigkeit auf, die zwischen den Zeilen schlummert und von den wenigsten Kollegen geweckt wird.

Bei Demus tanzen die Klänge förmlich, wenn es um den „Faschingsschwank aus Wien“ geht oder um die Ballszenen des „Carnaval“, dessen camouflierend „Pause“ genannten vorletzten Abschnitt er mit rarer Nonchalance absolviert: Wo ein Großteil der internationalen Pianistenschaft einmal feucht drüberwischt, um unbeschadet im abschließenden Davidsbündler-Marsch zu landen, setzt Demus noch Pointen, setzt die einzelnen, beschwingt servierten Elemente der Komposition sauber voneinander ab.

Die reiche Diskographie dieses Künstlers ist voll von solch raffiniert-spielerischen Pointen, die höchste Virtuosität voraussetzen, aber bei ihm nicht zum Hauptdarsteller werden lassen.

Debussys teuflische „Oktaven“-Etüde macht Demus zu einer Art Balletteinlage für die zehn Finger und lässt dabei auch noch seinen eminenten Klangsinn spielen, der das Stück ganz unmissverständlich in der Stilwelt des Impressionismus verortet, eine idiomatisch trefflichere Aufnahme wird man kaum finden.

Viele Jahre lang hat Demus sein Wissen und Können an die Jugend weitergeben – oder das zumindest versucht, seine Wutanfälle, wenn er sich verstocktem Unvermögen gegenüber sah, sind legendär. Doch verstellen die Berichte darüber den Blick auf den universell gebildeten und interessierten Künstler, der unter anderem dank seines Interesses an historischen Instrumenten eine exquisite Sammlung historischer Tasteninstrumente gesammelt und im Salzkammergut museal präsentiert hat. Auch das gehört zu seinem reichen Erbe.

Jörg Demus ist in der Nacht auf den 17. April 2019 im 91. Lebensjahr gestorben.

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