Warum sollte es diesmal anders sein?

Nulldefizit hin oder her: Auf Bundesebene gelang seit Jahrzehnten kein positiver Budgetabschluss mehr.

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Viel wurde in den vergangenen Tagen und Wochen wieder über das österreichische Budget und die damit verbundene Einnahmen- und Ausgabenpolitik diskutiert; darüber, dass gesamtstaatlich zwar ein „Nulldefizit“ gelang, ausgerechnet der Bund aber wieder ein Defizit einfuhr. Und darüber, dass die gegenwärtige Bundesregierung sich nicht an konsequente, ausgabensenkende Strukturreformen heranwagt.

Aus historischer Sicht ist das wenig überraschend, denn die Problematik zieht sich wie ein roter Faden durch die österreichische Geschichte. 1913, im Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, kritisierte Eugen von Böhm-Bawerk, Ökonom und mehrmaliger Finanzminister der Monarchie, die politischen Parteien und deren Streben nach einer Ausgabenpolitik, die allzu sehr auf Vorteile für die jeweilige Wählerschaft abziele. Dieser Befund verlor auch in der Republik nichts an Aktualität. Nicht einmal in den 1920er-Jahren, als ein dramatischer Währungsverfall Österreich an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hatte und die strikte Budgetsanierung als ein Gebot der Stunde galt, wich man von diesem Prinzip vollends ab: Die Nachhaltigkeit der ausgabenseitigen Reformen – neben Einsparungen bei den Bundesbahnen plante man einen massiven Beamtenabbau – war kaum der Rede wert. Die christlichsozial/großdeutsche Koalitionsregierung wollte ihre bürgerliche Wählerklientel nicht zu sehr verschrecken, und: Sie war letztlich auch nicht in der Lage, sich gegen die mächtigen Beamtengewerkschaften durchzusetzen.

In der Zweiten Republik blieben Verwaltung, Bundesbahnen und Bundesbetriebe wesentliche Ausgabenposten, zu ihnen gesellte sich der Faktor Soziales, der massiv an Bedeutung gewann. Ab den 1950er-Jahren griff der moderne Wohlfahrtsstaat auch in Österreich um sich; der Bund ging gegenüber den Sozialpartnern zahlreiche gesetzliche Verpflichtungen ein, die auf der Ausgabenseite eine zunehmende Starrheit erzeugten. Zudem begannen die klassischen politischen Lager allmählich zu erodieren, was das Buhlen um die Wählergunst intensivierte, den Hang der Parteien zur politischen Inszenierung verstärkte. Man orientierte sich an Meinungsumfragen – und damit an den Wunschvorstellungen potenzieller Wählerinnen und Wähler.

In der Wirtschaftskrise der 1970er-Jahre gelang es der SPÖ-Alleinregierung Kreisky, sich mit einer strukturkonservierenden Politik (Verstaatlichte Industrie) und hohen Budgetdefiziten erfolgreich als „Hüterin der Arbeitsplätze“ in Szene zu setzen. In den 1980er-Jahren funktionierte diese Strategie nicht mehr: Budgetdefizit und Staatsverschuldung galten in der öffentlichen Meinung als unpopulär, Budgetsanierung und einschlägige Reformen waren es de facto aber auch („Soziale Kälte“). Gab es doch Reformversuche, wie im Verwaltungsbereich oder bei den Pensionen, so wurden diese meist stark verwässert – wegen Widerständen vonseiten des Koalitionspartners, der Opposition oder der Interessenvertretungen.

Budgetdisziplin versprochen

Dass die Politik angesichts dieser Konstellation den Weg des geringsten Widerstandes wählte, ist da kein Wunder: Insbesondere im Kontext der EU-Konvergenzkriterien (Vertrag von Maastricht) versprachen die Bundesregierungen vollmundig die Einhaltung der Budgetdisziplin, nicht selten garniert mit dem öffentlichkeitswirksamen Schlagwort „Nulldefizit“. Zu den dafür notwendigen Strukturreformen kam es indes auch bei günstiger Konjunkturlage nicht, weshalb auf Bundesebene seit Jahrzehnten kein positiver Budgetabschluss mehr gelang. Warum also sollte es diesmal anders sein?

Mag. Dr. Walter M. Iber ist Dozent für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte an der Universität Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2019)

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