Der Klimawandel, die Politik und wir alle

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Die versteckten CO2-Emissionen der Digitaltechnik zeigen, warum das Problem des Klimawandels trotz allgemeinen Wissens nicht einfach gelöst wird.

Rund 26 Stunden saß die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg anlässlich des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Davos im Zug. Und auch ihre dieswöchige Reise zum Papst nach Rom erfolgte per Bahn. Sie könne nicht mit dem Flugzeug anreisen, weil das zu viel CO2 emittiere. Man kann der 16-Jährigen also nicht vorwerfen, Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Dennoch wird ihr Beispiel realistischerweise für viele Menschen nicht tauglich sein, die in ein weiter entferntes Land reisen müssen. Doch es bringt zumindest eine öffentliche Diskussion über den Zusammenhang von individuellem Verhalten und einem globalen Problem wie dem Klimawandel. Und diese ist sehr wichtig, auch wenn sie mitunter jakobinische Züge annimmt. So werden in Schweden unter dem Titel „Flugscham“ bereits Prominente in sozialen Medien an den Pranger gestellt, weil sie zu oft in der Luft sind.

Das Hauptproblem beim Ausstoß von Treibhausgasemissionen ist jedoch ohnehin, dass sie häufig für die Verbraucher nicht offensichtlich erfolgen. Autofahren erzeugt CO2, das ist noch jedem klar. Das Aufdrehen der Ölheizung ebenfalls. Aber dann? Wie drastisch beispielsweise die Auswirkungen der Digitalisierung sind, zeigt nun eine französische Studie. So haben Smartphones und Computer sowie das Auslagern von Programmen, Videos oder Musik in die Cloud das Leben praktischer gemacht. Es sorgt aber auch dafür, dass weltweit immer mehr Server rund um die Uhr laufen und gekühlt werden müssen. Das kostet Strom. Und der wird in vielen Gegenden der Welt nach wie vor durch das Verbrennen fossiler Energieträger erzeugt. In Summe sind die Emissionen der IT-Infrastruktur bereits doppelt so hoch wie jene des Flugverkehrs.

Das ist auch die Krux bei Elektroautos, die nun als Wunderwaffe gegen die Kohlendioxidemissionen des Straßenverkehrs gelten. Auch diese sind nur so grün wie der Strom, mit dem sie getankt werden. Das bedeutet, dass ein Tesla S, der hierzulande im Schnitt nur zwölf und in Frankreich – auch die Atomkraft hat Vorteile – sogar nur sechs Gramm CO2 je Kilometer ausstößt, in China auf 123 Gramm Kohlendioxid kommt.

Aber auch in den offensichtlicheren Bereichen ist das Thema schwer greifbar. So ist bekannt, dass Fliegen sehr hohe Emissionen verursacht. Wie groß diese wirklich sind, zeigt aber folgende Rechnung: Bei einem Urlaubsflug an Spaniens Südküste wird in Summe eine Strecke von 3500 Kilometern zurückgelegt. Mit dem dabei pro Person emittierten CO2 könnte ein Auto mit dem österreichischen Durchschnittswert mehr als zweieinhalbmal so weit bewegt werden. Mit einem heimischen Elektrozug könnte man sogar fast sechsmal um den Äquator fahren. Aber auch im Vergleich zu anderen Bereichen ist der Ausstoß groß. So fallen bei zwei Passagieren für den Urlaubsflug die gleichen Emissionen an wie beim Beheizen einer 100-Quadratmeter-Wohnung mit Gas in einem ganzen Jahr. Dennoch ist der Flugverkehr nur für zwei Prozent der gesamten globalen Emissionen verantwortlich.

Was heißt das nun für Politik und Gesellschaft? Die größten Zuwächse bei den Emissionen gibt es dort, wo sich keiner zuständig fühlt. Während etwa in der Industrie, bei der CO2 seit Jahren mittels Emissionshandels einen Preis hat, trotz Wirtschaftswachstums der Ausstoß seit 1990 beinahe konstant blieb, legten sie im Verkehr um fast 72Prozent zu. Natürlich gibt es auch hier eine Belastung durch Mineralölsteuer und Autobahnmaut – eine Zunahme des Individualverkehrs wurde davon aber kaum gebremst. Die Steuer ist nämlich nicht darauf ausgelegt, das Verhalten zu beeinflussen, sondern möglichst viel Geld für den Fiskus zu lukrieren.

Ein Senken der CO2-Emissionen hängt stark vom individuellen Verhalten ab. Dafür braucht es mehr Bewusstsein. Darauf verlassen sollte sich die Politik aber nicht, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten steuernd eingreifen. Etwa durch eine Umschichtung der Steuerbelastung von Arbeit hin zu Energie und Konsum. Diese Chance dürfte sie bei der Steuerreform aber wieder einmal ungenutzt verstreichen lassen.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2019)

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