EU-Wahl: Sarah Wiener will die grüne Wiederauferstehung feiern

Die TV-Köchin und Landwirtin Sarah Wiener kandidiert für die Grünen.
Die TV-Köchin und Landwirtin Sarah Wiener kandidiert für die Grünen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Straßenwahlkampf ist für Politiker oft eine heikle Disziplin. Sarah Wiener ist die Öffentlichkeit aber gewohnt: Die TV-Köchin und Landwirtin kämpft für ein grünes Mandat in Brüssel. Sie verteilt Bio-Eier und will Stimmen sammeln.

Wien. Eine Schweizer Familie, die am Donnerstagvormittag auf dem Wiener Vorgartenmarkt frühstückte, weiß jetzt erstaunlich viel über die korrekte Eierwahl und Sarah Wiener. Die Urlauber sitzen gerade in einer Bäckerei und trinken ihren Kaffee, als sie ihre Tischnachbarin anspricht: „Wissen Sie, wir haben ja EU-Wahlen“, sagt die Frau. „Und ich bin die weibliche Spitzenkandidatin der Grünen.“

Dann fährt sie, nicht unbedingt auf Nachfrage, fort: „Den österreichischen Grünen geht es nicht gut. Wir wollen ihre Wiederauferstehung zu Ostern feiern.“ Und übrigens, „meine erste Liebe kam aus Bern!“ Danach bekommt die Familie noch Ostereier überreicht – bio und aus Freilandhaltung natürlich, außerdem von einer alten Hühnerrasse. Allerdings nicht ganz regional: Sie stammen vom Nachbarbauern von Wieners Landwirtschaft in der deutschen Uckermark.

Wenn Wahlkämpfe so etwas wie die Olympischen Spiele für Politiker sind, ist der Stimmenfang auf der Straße eine der heikelsten Disziplinen. Man kann sich zwar das Feld aussuchen, aber nicht die Mitspieler: Wie Kandidaten auf spontane Begegnungen reagieren, lässt sich oft schwerer üben als eine Wahlkampfrede.

Den Umgang mit der Öffentlichkeit ist die 56-jährige Wiener, die nach Grünen-Chef Werner Kogler auf Platz zwei kandidiert, allerdings gewohnt. Sie startete in Deutschland eine Karriere als TV-Köchin, Gastronomin und Buchautorin. Jetzt will sie als Abgeordnete nach Brüssel. Die Grünen wollen vom Promi-Status der Quereinsteigerin profitieren. Und am 26. Mai endlich wieder einen Wahlsieg feiern.

Von Autos und billigen Beeren

Wiener hat, um für sich und ihre Partei zu werben, jedenfalls keine Berührungsängste. Im Gegenteil. Sie steht zwischen Flohmarkt und Bio-Obstständen mit einem Korb voller Eier und Flyer und überlegt gar nicht erst, ob und wen sie als Nächstes ansprechen soll. Das Model, das gerade für ein Fotoshooting posiert? Als sie das Ei ablehnt, ruft Wiener: „Ich würd ja schon sagen: Kindchen, iss mehr!“ Der junge Mann mit Bart, Longboard und Janker? „Sie sehen aus, als würden Sie sicher zur Wahl gehen.“

Tatsächlich schafft es Wiener, einige Menschen in ein Gespräch zu verwickeln, geht auf ihre Inhalte ein. Zwei Frauen ärgern sich darüber, dass in Wien so viele neue Wohnungen gebaut werden und alles Grüne verschwindet. Ein älterer Mann, der Wiener aus ihrer Zeit als TV-Köchin kennt, möchte wissen, warum „die Erdbeeren beim Türken so viel billiger sind“. Wiener spricht von Pestiziden, Importen, von Lohnunterschieden. Am Ende zieht sie aber immer dasselbe Fazit: „Gehen Sie am 26. Mai wählen. Sonst werden sich die radikalen Rechten verdoppeln, die die EU abschaffen wollen.“

Damit meint Wiener die AfD in Deutschland, die Lega in Italien, aber auch die FPÖ in Österreich. Aber nicht jeder will Wieners Argumente hören: Zwei Frauen hinter einem Flohmarktstand („stolze Österreicherinnen“) verweigern das Gratis-Osterei, „weil Sie uns vorhin ignoriert haben“. „Na, jetzt hören S' aber auf“, antwortet Wiener. „Jetzt bin ich ja eh da.“ Das Wahlkampfteam sieht es positiv: „Wenigstens beschwert sich jemand, dass er von uns nicht wahlbekämpft wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2019)

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