Wirecard-Chef: "Bargeld ist für Trinkgeld wichtig"

Ines Bauer
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Der Boss des Zahlungsverkehrsanbieters Wirecard, Markus Braun, gilt als medienscheu. „Die Presse“ hat ihn in Wien getroffen, um über Bargeld, Bitcoin und die Kontroversen rund um sein Unternehmen zu reden.

Der 1999 gegründete Zahlungsdienstleister Wirecard hat sich rasch zum Börseliebling entwickelt. Das deutsche Unternehmen mit weltweit mehr als 5800 Mitarbeitern und 279.000 Kunden – darunter Großunternehmen wie Visa oder TUI - profitiert vom boomenden Onlinehandel und bietet Firmen an, mehrere Bezahlwege in unterschiedlichen Ländern aus einer Hand abzuwickeln. Im Jänner dieses Jahres war der Höhenflug jäh zu Ende: Als die "Financial Times" über mutmaßliche Malversationen von Mitarbeitern in Singapur berichtete, stürzte der Börsekurs auf die Hälfte auf rund 80 Euro ab. Da halfen auch heftige Dementis von Wirecard nichts. Die Bankenaufsicht verhängte ein sogenanntes Leerverkaufsverbot – ein höchst ungewöhnlicher Schritt. Das ist inzwischen wieder aufgehoben, inzwischen ermittelt aber die Staatsanwaltschaft München gegen mehrere Personen, darunter auch Journalisten der „FT“ wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz.

Die Presse: Wie viel Bargeld nehmen Sie mit, wenn Sie nach Österreich kommen?

Markus Braun: Ich habe immer noch ein paar Scheine dabei, aber ich nutze Bargeld kaum. Für Trinkgelder ist es mir wichtig, weil es einfach höflich ist, Trinkgeld zu geben. Ich bin nicht für eine komplette Abschaffung des Bargelds. Technische Innovationen müssen sich sukzessive als Mehrwert durchsetzen. Und wir glauben, dass sich immer mehr Konsumenten eben aufgrund dieser Mehrwerte für das digitale Bezahlen entscheiden werden.

Was ist da der Weg, der sich durchsetzen wird? Derzeit gibt es ja verschiedene Ansätze.

Ich halte viel von der Kombination aus digitalem Bezahlen und Biometrie. Passwörter sind ein Irrweg. Wir haben alle viel zu viele Passwörter, die wir zu selten ändern, dadurch können Sicherheitsrisiken entstehen. Unsere App „boon“ funktioniert auf dem neuesten iPhone schon mit Gesichtserkennung. Das ist viel einfacher und sicherer als heutige Verfahren, egal ob Kreditkarte oder Bargeld.

Anonym ist es aber nicht.

Kreditkarten sind auch heute schon nicht völlig anonym – in beiden Fällen geht es aber nicht um personalisierte Daten. Am Ende muss man abwägen: Die Fortschrittsgeschichte der Menschen ist auch eine Geschichte der Datenverarbeitung. Die ganze Effizienzsteigerung der vergangenen 200 Jahre ist auf neue Wege der Datenverarbeitung zurückzuführen. Zuerst kam das Papier, dann der Computer.

Wie kann man den Westen und China vergleichen, wenn es ums digitale Bezahlen geht?

China ist führend, weil dort einfach fast alles auf die grüne Wiese gestellt werden konnte. In Singapur ist das mobile Bezahlen angekommen, als Kartenzahlungen noch nicht die Regel waren. In Europa und den USA geht es darum, dass in den vergangenen 20 bis 30 Jahren entstandene Technologie im Kassenbereich erst abgelöst werden muss. Die heutige Kasse ist noch kaum digital, zu 30 Prozent vielleicht.

Was ist denn die Killerapplication des menschlichen Körpers? Der Fingerabdruck, das Gesicht?

Alles, was im weitesten Sinne mit einem eindeutigen Schlüssel verbunden ist, also etwa mit der DNA. Das ist sehr schwer zu kopieren. Gerade im Bereich des Bezahlens muss jede neue Technologie das Sicherheitslevel halten oder übertreffen. Ein durch Fingerprint oder Gesichtserkennung gesichertes Smartphone ist besser geschützt als Bargeld oder Karten.

Wenn ich mit dem Gesicht bezahlen kann, brauche ich irgendwann kein Handy mehr, oder?

Richtig, das werden sie eines Tages nicht mehr benötigen. Jede Technologie ist nur eine Brücke zur nächsten Idee. Auch ich weiß nicht, was genau wir in 15 oder 20 Jahren sehen werden. Es wird etwas sein, das Sie mobil am Körper tragen und quer über alle Vertriebskanäle funktioniert.

Wo ist denn im Leben eines durchschnittlichen Österreichers heute Wirecard im Spiel?

Bei der digitalen Bezahlung. Wir sind bei sehr vielen (Online)-Händlern meist im Backend, zum Beispiel bei Billa, ÖBB oder Telekom Austria. Im Grunde von Flugbuchungen bis zu Musikdownloads oder dem klassischen Handel. Händler können den ganzen technologischen Prozess an uns auslagern. Auch im stationären Handel unterstützen wir immer häufiger im Backend mit volldigitalen Lösungen, die für Konsumenten nicht sichtbar sind.

Rund um Wirecard gab es zuletzt negative Schlagzeilen. Betrugsvorwürfe aus Asien, die die Aktie haben abstürzen lassen.

Seit dem Börsengang 2005 hat unser Papier im Durchschnitt jedes Jahr eine Wertsteigerung von rund 35 Prozent erzielt. Solche Bewegungen gehören dazu, die Börse ist auch ein Spekulationsort. An den Vorwürfen aus den britischen Medien war nie etwas dran. Vielleicht gab es sogar einen Zusammenhang von Berichterstattung und Spekulation. Das ermitteln die Behörden.

Ein zweites Problem war die Nutzung von Wirecard durch betrügerische Tradingfirmen. Davon hat das „Handelsblatt“ berichtet.

Das war eine falsche Darstellung, eher das Gegenteil ist richtig, denn wir haben aufgrund unseres Risikomanagements Kunden frühzeitig aktiv gekündigt. Hier wurde unterstellt, dass hohe Gebühren an uns geflossen seien. Wir haben das offengelegt, es waren in dem beschriebenen Fall insgesamt nur 40.000 Euro. Auch die angeblichen staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen gegen Wirecard gibt es nicht, vielmehr haben die Behörden Anfragen bei mehreren Banken gestellt, um Unterlagen für Ermittlungen gegen Dritte zu bekommen. Das ist ein völlig normaler Vorgang.

Es zeigt aber, dass im digitalen Raum neue Gefahren lauern.

Klar, das digitale Bezahlen ist auch mit ganz anderen Risiken behaftet als eine Plastikkarte oder Bargeld. Deswegen gehört das Risikomanagement auch zu unseren Kernkompetenzen. Im digitalen Raum sind sowohl auf der Händler- als auch auf der Konsumentenseite ganz neue Betrugsmodelle möglich. Und wir müssen unsere Kunden vor diesen Dingen schützen, was wir über Mechanismen, die auf künstlicher Intelligenz beruhen von Anfang an tun.

Wie sollen Kinder eigentlich lernen, was Geld ist, wenn es kein physisches Geld mehr gibt?

Das Konzept des Geldes, die abstrakte Idee, kann man lernen und verstehen. Das ist wie die Alphabetisierung. Und es ist schon heute so, weil nur durch abstraktes Geld sind weltweite Warenkreisläufe möglich. Vor 50 Jahren war das Smartphone noch unvorstellbar, für die Kinder von heute ist es selbstverständlich. Da mache ich mir keine Sorgen, wenn es um digitales Geld geht.

Was sind die Vorteile für den Staat?

Theoretisch sind durch digitale Zahlungsströme ganz neue Steuermodelle möglich. Vielleicht kommen wir so weg von der Besteuerung von Arbeit und Einkommen und hin zu einem System, in dem es eine konsumorientierte digitale Transaktionssteuer gibt. Aber noch fehlen die globalen Standards was die Regulierung betrifft.

Besitzen Sie Bitcoin?

Nein. Wir beobachten die Entwicklungen natürlich, allerdings mehr die der Blockchain. Aber ohne einen Anwendungsfall bietet die Blockchain-Technologie keinen Mehrwert. Und Bitcoin ist heute zu sehr im spekulativen Bereich angesiedelt, um ernsthaft als Zahlungsmethode in Frage zu kommen. Was möglich ist: Dass wir einmal via Blockchain die echte Digitalisierung des Bargelds sehen. Das müsste dann aber die Zentralbank übernehmen.

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