Der Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller bringt viele pikante Details zutage. Die nächsten Monate werden zeigen, in welchem Ausmaß sie die Wiederwahl des Präsidenten gefährden - seine Zustimmungswerte sind auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr gesunken.
New York. Zwei Jahre lang haben die Amerikaner auf die Veröffentlichung des Reports gewartet. Und auch danach zeigt sich: Die Debatte rund um den Bericht von Sonderermittler Robert Mueller ist in den USA keineswegs beendet, sie nimmt erst so richtig Fahrt auf. Im wichtigsten Punkt, einer potenziellen verschwörerischen Verbindung zwischen dem Wahlkampfteam Donald Trumps und Russland, wurde der Präsident freigesprochen. Eine „komplette Entlastung“ ist die Zusammenfassung Muellers aber nicht, der Bericht fördert mehrere pikante Details zutage.
Russland-Verbindungen
Der Hauptgrund, warum Mueller im Mai 2017 die Ermittlungen aufnahm, war die Einmischung Moskaus in die US-Wahlen 2016. Es gilt als erwiesen, dass der Kreml seine Finger im Spiel hatte und über diverse Kampagnen Trump zu seinem Sieg verholfen hat. Hätte Mueller nun festgestellt, dass das Trump-Team mit Russland zusammengearbeitet hat, wäre der Präsident seinen Job los. Diesbezüglich konnte der Ermittler keine Beweise finden, er spricht Trump eindeutig frei.
Doch soll Trump im Zuge der Untersuchungen mehrmals versucht haben, seine Verbindungen nach Russland zu verbergen. Laut Mueller behauptet Trumps früherer Anwalt Michael Cohen dass der einstige Immobilientycoon noch im Sommer 2016, kurz vor den Wahlen, einen Trump Tower in Moskau bauen lassen wollte. Öffentlich gab Trump damals zu Protokoll, „nichts mehr damit zu tun zu haben“.
Auch den wahren Grund für ein ominöses Treffen in New York im Sommer 2016 habe Trump zu verschleiern versucht. Damals kam sein Sohn, Donald Trump Junior, mit einer Kreml-nahen Anwältin zusammen, der ihm „Schmutz“ über Hillary Clinton versprochen hatte. Als Details dazu im Juli 2017 ans Tageslicht kamen, soll Trump seine Kommunikationschefin, Hope Hicks, zur Lüge aufgefordert haben. Er instruierte sie, ein Statement abzugeben, wonach es bei dem Treffen um russische Adoptivkinder gegangen sei.
Mögliche Justizbehinderung
Laut Mueller habe der Präsident mehrmals versucht, indirekt laufende Untersuchungen über ihm unterstellte Personen zu beeinflussen. Insgesamt listet der Sonderermittler zehn Beispiele auf. So habe Trump unter anderem den damaligen FBI-Chef, James Comey, aufgefordert, Ermittlungen gegen den früheren Sicherheitsberater, Michael Flynn, einzustellen. Don McGahn, einem Juristen des Weißen Hauses, habe Trump aufgetragen, für ein Ende der Sonderermittlungen Muellers zu sorgen.
In den meisten Fällen weigerten sich die Personen, den Aufforderungen nachzukommen – aus Angst, das Gesetz zu brechen. Das sollte sie ihre Jobs kosten. Comey wurde von Trump im Mai 2017 gefeuert, McGahn ging im Oktober 2018 freiwillig.
„Die Anstrengungen des Präsidenten, die Untersuchungen zu beeinflussen, waren zum größten Teil nicht erfolgreich. Das liegt vor allem daran, dass Personen aus dem Umfeld des Präsidenten sich weigerten, die Befehle auszuführen“, schreibt Mueller.
Reaktion der Demokraten
Noch hat die Opposition keine einheitliche Linie gefunden, wie sie mit den Enthüllungen umgehen soll. Nancy Pelosi, die demokratische Chefin im Repräsentantenhaus, bleibt bisher bei ihrer Linie, wonach ein Amtsenthebungsverfahren wenig Sinn hat. Auch Steny Hoyer, der Mehrheitsführer im „House“, sagte, dass ein derartiger Schritt „es nicht wert sei“. Ganz anders äußerte sich die Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren. Der Untersuchungsbericht belege, dass „eine feindliche ausländische Regierung unsere Wahl 2016 angegriffen hat, um Donald Trump zu helfen, und dass Donald Trump diese Hilfe begrüßt hat.“
Wie geht es weiter?
In einem ersten Schritt haben die Demokraten im Repräsentantenhaus das Justizministerium aufgefordert, den Originalbericht samt zusätzlichem Beweismaterial bis 1. Mai ungeschwärzt zu übermitteln. Justizminister William Barr, der Trump vehement in Schutz nimmt, soll ebenfalls im Mai vor dem Kongress aussagen, und auch Mueller wird dort ein Kreuzverhör wohl nicht erspart bleiben. Sollten die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, wäre die Chance, Trump aus dem Amt zu jagen, sehr gering. Im Senat wäre dafür eine Zweidrittelmehrheit nötig, und die meisten Republikaner sehen Trump durch den Mueller-Bericht großteils entlastet.
Jedenfalls werden beide Parteien den Report zu ihren Gunsten verwenden. Trump konzentriert sich auf den Freispruch rund um Absprachen mit Russland, die Demokraten auf belastendes Material rund um die Justizbehinderung. Auf die Zustimmungswerte des Präsidenten hatte der Bericht jedoch bereits Auswirkungen: Sie sind auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr gesunken. In einer Reuters/ipsos-Erhebung, die am Freitag veröffentlicht wurde, zeigen sich noch 37 Prozent der US-Amerikaner mit Trumps Amtsführung zufrieden, drei Prozentpunkte weniger als bei der Erhebung vor einer Woche.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)